Drittes Arbeitskreistreffen von innocam.NRW für den Verkehrsträger „Schiene“

Aus unserem Blog • Von Jeries Shamshoom und Christian Frowein, RWTH Aachen University Dezember 2024

Beim dritten Arbeitskreistreffen für den Verkehrsträger „Schiene“ in Herne diskutierten Expertinnen aus Industrie, Wissenschaft und Politik am über die Automatisierung im Schienenverkehr, Herausforderungen bei Zulassungsverfahren und innovative Ansätze für den Gütertransport. Zentrale Themen waren regulatorische Hürden und die Notwendigkeit konkreter Handlungen.

Der Arbeitskreis Schiene fand sich am 28. November 2024 zu seiner dritten Sitzung in der Alten Druckerei Herne beim Applied Excellence Department (AED) zusammen. Gastgeber war Prof. Björn Schäfer (Fachhochschule Dortmund). Die dreizehn Teilnehmenden setzten sich aus Vertretern von Industrie und Wissenschaft sowie der Politik zusammen.

Der erste Impulsvortrag von Steffen Schäfer (Karlsruher Institut für Technologie, KIT) beleuchtete das Thema „Automatic On-Sight Operation“. Dabei wurde eine Lösung für das automatisierte Fahren von Rangierlokomotiven am Rangierbahnhof München Nord vorgestellt, die Sensortechnik wie Kameras, Radar und Lidar kombiniert. Es zeigte sich, dass eine genaue Bewertung der Leistungsfähigkeit solcher Systeme herausfordernd ist, da eine Vielzahl von Testfällen existiert. Zur Positionsbestimmung wurde GNSS in Verbindung mit Gleisverlaufserkennung und Odometrie genutzt.

Als Problem kristallisierte sich in der anschließenden Diskussion heraus, dass heute etwa alte Signaltechnik mittels Kamera und Bilderkennung erfasst wird, anstatt Signale direkt digital an die Fahrzeuge zu übermitteln. Prof. Raphael Pfaff (Fachhochschule Aachen) wies darauf hin, dass zumindest Betriebsabläufe für die Automatisierung angepasst werden müssten, etwa durch maschinenlesbare Codes auf Gleisnummern oder Signalen.

Im Zulassungsprozess neuartiger Systeme im Bahnbereich ist ein sogenannter Nachweis gleicher Sicherheit zu erbringen. Oft wird in der Praxis jedoch fälschlicherweise gleiche Sicherheit auf eine Stufe mit gleiche Funktionalität gestellt, so Ralf Kaminsky (Siemens Mobility). Dies erschwert die Zulassung innovativer Systeme und kann hohe Kostensteigerungen mit sich bringen, wenn sämtliche Funktionalitäten bestehender Systeme eins zu eins auf ein neuartiges System übertragen werden, ohne dabei die grundlegenden Eigenschaften des alten und des neuen Systems mit zu berücksichtigen.

Vertreter von Siemens und der RATH Gruppe äußerten, dass technologischer Fortschritt um seiner selbst willen nicht zielführend sei und forderten eine stärkere betriebs- und gesamtvolkswirtschaftliche Betrachtung. Eine wesentliche Herausforderung sei die Komplexität, die durch umfassende, nicht systemgerecht angepasste, Übertragung althergebrachter betrieblicher Szenarien auf eine neue Technik entstehe.

Ein weiterer Impulsvortrag von Prof. Raphael Pfaff (Fachhochschule Aachen) widmete sich der Zukunft des Schienengüterverkehrs. Durch die Dekarbonisierung droht der Rückgang des Massentransports von Schüttgut, der den Ganzzugverkehr prägt. Einzelwagenverkehr, wie beim Aachener Rail Shuttle oder in Form von Paketlieferungen per Schiene, wäre zwar eine Alternative, ist aber derzeit sehr teuer. Prof. Pfaff schlug vor, Güterwagen zu modernisieren, damit sie unabhängig Energie generieren und speichern, drahtlos kommunizieren und beispielsweise automatisierte Bremsproben durchführen oder die letzte Meile aus eigenem Antrieb zurücklegen können. Sebastian Piffka (RATH Gruppe) wies darauf hin, dass die Bahn ihre Stärken im Massentransport beibehalten sollte, da Komplexitätssteigerungen im Einzelwagenverkehr die Kosten stark erhöhen. Ralf Kaminsky (Siemens Mobility) ergänzte, dass hubbasierte Containerlösungen als Schnittmenge beider Varianten ein Potenzial böten, jedoch im Kontext Schienenverkehr noch Erfahrungswerte aus der Anwendung fehlen.

Der dritte Impulsvortrag, präsentiert von Christian Frowein, hatte den Einsatz von Sensortechnik zum fahrerlosen Fahren im Straßenbahnverkehr am Beispiel des Projekts AStriD in Potsdam zum Thema. Hier wurde das fahrerlose Fahren in Vorstadtbereichen bereits erfolgreich getestet, während Innenstädte aufgrund der hochkomplexen Umgebung weiter eine Herausforderung darstellen. Es wurden jedoch vor allem Rechtsrahmen und Zulassungsverfahren als zentrales Hemmnis für Innovationen identifiziert. Zulassungsorgane in Deutschland fordern derzeit, dass Unternehmen Vorschläge erarbeiten, ohne selbst proaktiv Rahmenbedingungen zu setzen. Die Folge ist im Bereich Schiene einerseits eine Überregulierung im Detail bei gleichzeitigem Fehlen von weiter gefasster Regulatorik im großen Ganzen. Nur durch letztere würde Innovation gefördert. 

Dies erschwert den Einsatz von KI und anderen neuen Technologien, wie sie in der Automobilindustrie über sogenannte vorläufige Zulassungen bereits erfolgreich getestet und schrittweise in die Anwendung überführt werden. Ein Übergang weg von einer Detailregulierung durch Aufsichtsbehörden hin zu mehr Betreiberverantwortung wird von den Teilnehmenden als wünschenswerter Lösungsweg angesehen.

Fazit

Beim dritten Arbeitskreis Schiene wurden zentrale Herausforderungen und Potenziale für den automatisierten Schienenverkehr, mit Fokus Fahren auf Sicht, erörtert. Erkenntnisse umfassen die Notwendigkeit, Betriebsabläufe und Zulassungsprozesse der Automatisierung und neuen Systemen anzupassen. Der erste Impulsvortrag zeigte, dass umfangreiche Szenarien die Bewertung automatisierter Systeme erschweren. Im Güterverkehr wurde diskutiert, wie die Dekarbonisierung den Massentransport als Ganzzugverkehr reduziert und wie Einzelwagenverkehr durch Digitalisierung effizienter gestaltet werden könnte. Hubbasierte Containerlösungen bieten eine mögliche Schnittmenge.

Das Treffen brachte wertvolle Einblicke und Denkanstöße für die Zukunft des Schienenverkehrs. Eine Fortsetzung des Austauschs wurde von den Teilnehmern ausdrücklich gewünscht. Insbesondere die Identifikation von Forschungsbedarfen und die Entwicklung konkreter Arbeitsideen wurden hervorgehoben. Gleichzeitig wurde betont, dass Handlungen den Diskussionen folgen müssen, um Fortschritte zu erzielen. Durch die enge Verflechtung von Bahn und politischem System in Deutschland sei hier insbesondere die Politik gefordert. Zulassungsprozesse und Überregulierung bremsen Innovationen, vor allem im fahrerlosen Betrieb. Ein Übergang zu mehr Betreiberverantwortung und flexiblen Testfeldern, wie in der Automobilindustrie, wurde als Lösungsweg identifiziert.

Ausblick

Die Zusammenarbeit zwischen Industrie, Forschung und Politik sollte gestärkt werden, um pragmatische Ansätze für Innovationen voranzutreiben und regulatorische Hindernisse zu überwinden. Politische Unterstützung ist dabei essenziell.

Sprechen Sie uns gerne bei Fragen und Ideen zum Thema gerne an an. Der nächste Termin findet voraussichtlich im März statt. Sie erreichen uns per E-Mail unter jeries.shamshoom@innocam.nrw oder telefonisch unter 0241 80 25569.