Zweites Treffen des Arbeitskreises „Schiene“ im
Rahmen von innocam.NRW

Aus unserem Blog • Von Jeries Shamshoom und Christian Frowein, RWTH Aachen University Oktober 2024

Am 9. September fand am Institut für Schienenfahrzeuge und Transportsysteme (ifs) der RWTH Aachen das zweite Treffen des Arbeitskreises „Schiene“ statt, bei dem sich Experten aus Industrie und Wissenschaft zum Thema „ETCS“ austauschten.

Die Zukunft des Schienenverkehrs wird maßgeblich von der Digitalisierung und dem Einsatz moderner Zugbeeinflussungssysteme bestimmt. Dies wurde beim zweiten Treffen des Arbeitskreises Schiene im Rahmen des innocam-Projekts einmal mehr deutlich. Unter der Leitung von Professor Christian Schindler kamen Branchenexperten aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, um zentrale Themen wie die Einführung des European Train Control System (ETCS), die Automatisierung des Schienenverkehrs sowie Herausforderungen in der Fahrzeugumrüstung zu diskutieren.

Im Fokus der Diskussion stand das European Train Control System (ETCS), das nicht nur als technologische Lösung, sondern auch als politisches Großprojekt betrachtet wird. Thomas Milewski von der PINTSCH Wolber GmbH eröffnete die Gespräche mit einem Impulsvortrag und machte deutlich, dass ETCS keine „Raketenwissenschaft“ sei, die Umsetzung jedoch viele Fallstricke berge. Besonders kritisierte er, dass neue Fahrzeuge immer noch nicht standardmäßig mit ETCS ausgestattet sind, obwohl das System längst beschlossen wurde. Dies führt zu erheblichen Nachrüstungsmaßnahmen: Rund 13.000 Bestandsfahrzeuge müssen in den kommenden Jahren modernisiert werden. Hier fordert Milewski Unterstützung für mittelständische Unternehmen und flexible Ausschreibungen, um diese Hürden zu überwinden.

Die hohen Kosten und die lange Umrüstungszeit stellen weitere Herausforderungen dar. Es sind 10 Millionen Euro für die Zulassung der Flotten und 500.000 Euro pro Fahrzeug für die Nachrüstung notwendig.
Problematisch ist, dass die Umrüstung auch die Neuzulassung der Fahrzeuge bedingt, was wiederum lange Ausfallzeiten für die Betreiber bedeutet. Hinzu kommt die regelmäßige Aktualisierung der technischen Spezifikationen (ERA/TSI), was die Planbarkeit erschwert und dazu führt, dass ETCS-Systeme nicht langfristig kompatibel bleiben.

Milewski betonte die Notwendigkeit eines „runden Tisches“, um pragmatische und nachhaltige Lösungen für die ETCS-Umrüstung zu finden.

Im anschließenden Vortrag zeigte Christoph Gralla von der Scheidt & Bachmann Signalling Systems GmbH die klaren Vorteile von ETCS auf, insbesondere in Bezug auf die Kapazitätsoptimierung der Strecken. Allerdings bedauerte er die Verschiebung dieses Potenzials auf das Jahr 2045 durch die Deutsche Bahn. ETCS könnte durch die Verlagerung von physischen Signalen hin zu digitalen Zugsteuerungssystemen erhebliche Kosten einsparen und die Effizienz erhöhen. Auch Gralla plädierte für die flächendeckende Ausstattung neuer Fahrzeuge mit ETCS-Systemen, betonte aber, dass das richtige ETCS-Level streckenspezifisch ausgewählt werden müsse.

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion war die Automatisierung des Schienenverkehrs, die in verschiedenen Graden (GoA 1 bis 4) vorangetrieben werden kann. In Deutschland sei aktuell nur die Einführung des Automatisierungsgrads GoA 2 möglich, da für höhere Stufen gesetzliche Änderungen erforderlich wären. Mit GoA 2 würde weiterhin ein Zugführer im Fahrzeug benötigt, erst ab GoA 3 wären zusätzliche Anpassungen an der Infrastruktur und eine Novellierung der Gesetze nötig.

Fazit

Das Treffen zeigte eindrucksvoll, dass die Digitalisierung des Schienenverkehrs auf einem guten Weg ist, aber noch viele Hürden überwunden werden müssen. Die Umrüstung von Fahrzeugen auf ETCS und die Harmonisierung der europäischen Zugleitsysteme sind komplexe und kostenintensive Aufgaben. Doch die Teilnehmer waren sich einig: Ohne pragmatische Lösungen und verstärkte Zusammenarbeit zwischen Politik, Industrie und Forschung wird der Prozess nur langsam vorankommen. Ein runder Tisch könnte der notwendige Impuls sein, um die ETCS-Implementierung nachhaltig voranzutreiben.

Die Diskussionen beim zweiten Treffen des Arbeitskreises Schiene zeigten, wie drängend diese Themen für die Zukunft des Schienenverkehrs sind. Es wird spannend sein zu sehen, welche Schritte die Branche in den kommenden Jahren unternehmen wird, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern.

Sprechen Sie uns gerne bei Fragen und Ideen zum Thema gerne an an. Sie erreichen uns per E-Mail unter jeries.shamshoom@innocam.nrw oder telefonisch unter 0241 80 25569.