Aus unserem BLOG • Von Lukas Zanger, RWTH Aachen University • Oktober 2024

Zweites Treffen des Arbeitskreises „Straße“ im Rahmen von innocam.NRW

Am Mittwoch, den 02.10.2024, fand das zweite Treffen im Arbeitskreis Straße von innocam.NRW im Online-Format statt. Im Fokus stand die Systematisierung von Einnahmen und Ausgaben, die im Rahmen der automatisierten und vernetzten Mobilität aus verschiedenen Perspektiven anfallen.

Neben technologischen Herausforderungen, die die automatisierte und vernetzte Mobilität (AVM) mit sich bringt, muss ebenfalls deren Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden, um eine flächendeckende Verbreitung realisieren zu können. Die Systematisierung von Einnahmen und Kosten der AVM unter realistischen Betriebsbedingungen ist essenziell, um Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu ermöglichen sowie sinnvolle und auf Dauer tragfähige Einsatzmöglichkeiten zu identifizieren. Solch eine Systematisierung stand im Fokus des zweiten Treffens des Arbeitskreises Straße von innocam.NRW. Anhand von drei Vorträgen sowie Diskussionen im Rahmen von interaktiven Workshops wurden verschiedene Aspekte der Wirtschaftlichkeit in der AVM thematisiert. Ziel war es, Dimensionen zu benennen, die einen hohen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben, sowie solche, bei denen Unklarheiten im Hinblick auf mögliche Geschäftsmodelle bestehen. Dabei sollten stets realistische Betriebsbedingungen berücksichtigt werden.

Vorträge

Der Arbeitskreis startete mit einem Vortrag von Udo Steininger von der TESACO GmbH, bei dem es um den Stand der Technik sowie die Marktverbreitung des automatisierten und vernetzten Fahrens, unter anderem vor dem Hintergrund der Regulierung und Normung, ging. Anhand ausgewählter Level des automatisierten Fahrens nach SAE wurde das Potential der Verbreitung entsprechender Funktionen im Markt thematisiert. Auf Level 4 der Automatisierungsstufen gemäß SAE bieten vor allem Dienste wie Mobility-as-a-Service (MaaS) und Transport-as-a-Service (TaaS) einen hohen Nutzen aus umwelt- und verkehrspolitischer Sicht. Eine großflächige Verbreitung sei jedoch nur bei Vorhandensein entsprechender Geschäftsmodelle denkbar. Entsprechende Anwendungsfälle werden aktuell unter anderem in verschiedenen Projekten in Deutschland getestet.

Es folgten zwei weitere Impulsvorträge. Zunächst präsentierte Anja Holdermüller einen Erfahrungsbericht zum automatisierten Fahren bei den Bahnen der Stadt Monheim. In Monheim sind seit 2020 automatisierte Busse auf der Linie A01 im Einsatz. Der Einsatz der automatisierten Busse im Linienbetrieb sorgt zum einen für Aufwände im Hinblick auf Planung und Ausbau entsprechender Infrastruktur und im Hinblick auf die Kompetenzerweiterung des Personals hinsichtlich Wartung und Beaufsichtigung der Fahrzeuge. Zum anderen sind jedoch Bekanntheitszuwächse der Stadt Monheim zu verbuchen. Die automatisierten Busse werden von Besuchern als Attraktion wahrgenommen.

In einem dritten Vortrag stellte Lukas Zanger von innocam.NRW bzw. der RWTH Aachen University eine Reihe von datengetriebenen Geschäftsmodellen vor, die aktuell durch verschiedene Player der Industrie zum Einsatz gebracht werden. Diese Beispiele verdeutlichen, wie man von den zunehmenden Datenmengen profitieren kann, die vernetzte Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Ein Beispiel stellt die Erkennung von Schlaglöchern und anderen Straßenbelagsereignissen mittels Fahrzeugsensorik dar. Solche Informationen können mit Flotten von vernetzten Fahrzeugen gesammelt und für Predictive-Maintenance-Zwecke an Straßenverkehrsbehörden oder Kommunen verkauft werden.

Workshop

Im Workshopteil der Veranstaltung ging es darum, potenzielle Anwendungsfälle in der AVM zu sammeln, um anhand dessen später verschiedene Dimensionen von Einnahmen und Ausgaben zu systematisieren. Dabei stellten sich vor allem zwei Anwendungsfälle heraus, die im Hinblick auf potenzielle Geschäftsmodelle näher beleuchtet werden sollten: Der erste Anwendungsfall waren automatisierte Shuttles im ÖPNV und der zweite Anwendungsfall umfasste automatisierte Transportfahrzeuge in der Hub-to-Hub-Logistik.

In einem zweiten Schritt wurden verschiedene Dimensionen von Einnahmen und Ausgaben anhand der zwei identifizierten Anwendungsfälle systematisiert. Die Systematisierung erfolgte anhand von verschiedenen Perspektiven, aus Sicht derer Einnahmen und Ausgaben anfallen. Dabei wurden die Perspektiven von Kommunen, von Betreibern, wie zum Beispiel Verkehrsunternehmen, sowie von Fahrzeugherstellern bzw. Technologieunternehmen berücksichtigt. Die Berücksichtigung solcher Perspektiven ist relevant, um zu entscheiden, ob ein Aspekt aus der jeweiligen Sicht als Einnahme bzw. als Ausgabe zu verbuchen ist.

Im Anschluss wurden die gesammelten Aspekte priorisiert. Einerseits wurde herausgearbeitet, welche Dimensionen einen besonders hohen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Geschäftsmodells haben. Andererseits wurde ermittelt, an welchen Stellen Unklarheiten bezüglich möglicher Geschäftsmodelle vorliegen. Es wurde deutlich, dass unter anderem zu datengetriebenen Geschäftsmodellen das Bedürfnis nach weiteren Informationen besteht. Außerdem ergab sich die Frage, welche Ausgaben der Zuwachs an Bürokratie im Rahmen der Umsetzung von Auflagen und Vorschriften für Kommunen im Hinblick auf automatisierten ÖPNV mit sich bringt.

Im Folgenden sind exemplarisch einige der gesammelten Aspekte dargestellt. Für den Anwendungsfall von automatisierten Shuttles im ÖPNV ergaben sich unter anderem folgende Einnahmen/Ausgaben mit jeweils hohem Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit:

  • Aus Sicht von Kommunen und kommunalen Betrieben: Einnahmen durch staatliche Subventionen sowie Kostenersparnisse bei der Instandhaltung von Infrastruktur (Predictive Maintenance); Aufwände für Planung und Ausbau von Infrastruktur sowie für Bürokratie im Rahmen der Umsetzung von Auflagen und Vorschriften
  • Aus Sicht von Betreibern, zum Beispiel Verkehrsunternehmen (Mobility-as-a-Service): Einnahmen durch Bestellerentgelt sowie Ticketverkäufe; Ausgaben für Infrastruktur und Einrichtungen der technischen Aufsicht
  • Aus Sicht von Fahrzeugherstellern und Technologieanbietern: Einnahmen durch Verkäufe, Leasing, Miet- und Lizenzgebühren sowie Einnahmen durch datengetriebene Geschäftsmodelle; Ausgaben für teure Technologien sowie die Entwicklung und Zertifizierung komplexer Software

Für den Anwendungsfall automatisierter Fahrzeuge in der Hub-to-Hub-Logistik stellten sich unter anderem folgende Einnahmen/Ausgaben als besonders einflussreich heraus:

  • Aus Sicht von Kommunen und kommunalen Betrieben: Einnahmen durch Mautgebühren sowie Konzessionseinnahmen für die Nutzung der Infrastruktur; Ausgaben für Ausbau der digitalen Infrastruktur und Wartung der Straßeninfrastruktur
  • Aus Sicht von Betreibern, zum Beispiel Verkehrsunternehmen (Transport-as-a-Service): Einnahmen wegen Kostenersparnis durch Effizienzsteigerung (zum Beispiel durch Wegfall von Lenkzeitbeschränkungen) und durch Lieferung von Verkehrsdaten (datengetriebene Geschäftsmodelle); Ausgaben für Betrieb der Leitwarte sowie für Technologie und Personal für Teleoperation
  • Aus Sicht von Fahrzeugherstellern und Technologieanbietern: Einnahmen durch Verkauf von Fahrzeugen oder Pay-per-Use Geschäftsmodellen sowie durch Verkauf von Softwarefunktionen bzw. -updates; Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie für den Erwerb digitaler Karten als Grundlage eigener Softwarefunktionen

Erkenntnisse und Ausblick

Das Arbeitskreistreffen zeigte, dass die großflächige Verbreitung von Anwendungsfällen in der automatisierten und vernetzten Mobilität unter realistischen Betriebsbedingungen nur bei Vorhandensein von entsprechenden Geschäftsmodellen erfolgen kann. Den Ausgaben, unter anderem verursacht durch den Aufbau von Infrastruktur, der Kompetenzerweiterung des eigenen Personals, Kosten für potenziell kostspielige Technologien und Betriebskosten von Einrichtungen der technischen Aufsicht, müssen entsprechende Einnahmen gegenüberstehen. Dies gilt nicht nur für Kommunen und Betreiber wie Verkehrsunternehmen, sondern auch für Technologieanbieter. Die Systematisierung von Einnahmen und Ausgaben stellt auch in Zukunft einen wichtigen Schritt dar, um wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle zu erarbeiten.

Sie möchten sich ebenfalls aktiv im Arbeitskreis Straße einbringen und mitdiskutieren? Dann sprechen Sie unseren kollegen Lukas Zanger über lukas.zanger@innocam.nrw gerne an!