Güter, Schiene, Luft? Viertes Arbeitskreistreffen von innocam.NRW für den Verkehrsträger „Schiene“

Aus unserem Blog • Von Christian Frowein, RWTH Aachen University • April 2025
Am 20.03.2025 fand das vierte Arbeitskreistreffen für den Verkehrsträger Schiene im Rahmen von innocam.NRW statt. Thematisch beschäftigten sich die Teilnehmenden mit Automatisierung im Güterverkehr und dem Einsatz unbemannter Luftfahrtsysteme im Bahnbereich. Diskussionspunkte betrafen unter anderem die digitale automatische Kupplung (DAK), Flexibilisierung des Einzelwagenverkehrs und Drohnentechnologie zur Infrastrukturüberwachung. Zentrale Erkenntnis des Treffens war es, dass die Innovationen stärker wirtschaftlich tragfähig sein müssen.
Zur Begrüßung stellte sich Professor Raphael Pfaff als neuer Institutsleiter des Instituts für Schienenfahrzeuge der RWTH Aachen University (ifs) vor und Professor Manfred Enning von der FH Aachen eröffnete mit einem Impulsvortrag den inhaltlichen Teil. Er beleuchtete in die aktuellen Herausforderungen im Schienengüterverkehr und wies darauf hin, dass dieser Bereich nach wie vor von einem hohen Anteil manueller Arbeit geprägt ist. Besonders aufwendig gestalten sich die Vor- und Nachbereitungen der eigentlichen Zugfahrten. „Der Güterzug ist auf der Strecke unschlagbar, aber zwischen Zusammenstellung und Abfahrt vergehen mehrere Stunden.“ Hier besteht hohes Potenzial zur Automatisierung bei gleichzeitig hohem wirtschaftlichem Potenzial. Während der Modal Split des Schienengüterverkehrs in den letzten zwei Jahrzehnten konstant bei etwa 20 %, gemessen an der gesamten Güterverkehrsleistung in Deutschland, lag, entfallen lediglich 2 % des gesamten Logistikumsatzes auf diesen Bereich. Dies verdeutlicht, dass der Schienenverkehr wirtschaftlich noch immer eine untergeordnete Rolle spielt.
Herausforderungen für den Güterverkehr auf der Schiene
Eine Herausforderung ist die Beladung der Güterwagen, die im Gegensatz zu den hochautomatisierten Prozessen in Logistikzentren für LKW, die an Terminals automatisiert von der Rückseite aus be- und entladen werden können, im Handling wesentlich komplexer ist. Das Schienennetz ist als Knotensystem mit neun großen Rangierbahnhöfen in Deutschland organisiert, wodurch die Abläufe aufwendig und kostenintensiv sind. Die größte Herausforderung stellt nicht die Zugzusammenstellung selbst dar, sondern die nachgelagerten manuellen Arbeiten, die sogenannten Wagenmeisteraufgaben wie der Kontrollgang rund um den Gesamtzug oder die Bremsprobe dar. Diese heute manuell durchgeführten Aufgaben sind zusätzlich vom Fachkräftemangel betroffen und bieten hohes Automatisierungspotenzial.
Enning stellte daraufhin das Konzept der sogenannten „Briefkastenbedienung“ vor. Dieses Modell sieht vor, dass einzelne Güterwagen selbstständig vom Nebengleis zum Terminal fahren, sodass keine Rangierlok mehr erforderlich ist und Arbeitsgänge sowie Wartezeiten reduziert werden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist jedoch eine eigenständige Energieversorgung der Güterwagen, die durch die neue VDI-Richtlinie 5905 geregelt wird. Um langfristig eine effizientere Abwicklung des Güterverkehrs zu gewährleisten, müssen zudem Sensorik und Automatisierung schrittweise integriert werden.
Wirtschaftliche Dimension der DAK
Zur Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) wurden im Plenum zwei Sichtweisen dargelegt. Eine sofortige Einführung hätte den Vorteil sofortiger Verfügbarkeit für beliebige nachfolgende Automatisierungsschritte. Für ein differenziertes und schrittweises Vorgehen bei der Automatisierung von Güterwagen spricht, dass die hohen Investitionen der Einführung der DAK zeitlich verschoben werden und es Betreibern ermöglicht wird, bereits frühzeitig mit geringen Investitionssummen durch die Automatisierung wirtschaftlichen Ertrag zu generieren (vergleiche Forschungsprojekte Güterwagen 4.0 und DAWN-LM).
Als Positivbeispiel wurde auf das von PJM zugelassene System für eine automatische Bremsprobe verwiesen, das in der Schweiz bereits im Serieneinsatz ist und in Deutschland erprobt wird. Als pragmatische Übergangslösung wurde die Einführung einer assistierten Bremsprobe vorgeschlagen, bei der der Wagenmeister während seines Rundgangs die Bremsen visuell überprüft und die Daten anschließend digital erfasst.
Wirtschaftliche Anreize wurden als wesentlicher Treiber für technologische Innovationen benannt. Investitionskapital für die Modernisierung des Einzelwagenverkehrs ist vorhanden, insbesondere bei Logistikunternehmen und Herstellern. Entscheidend sind Lösungen, die kurzfristig umsetzbar sind und wirtschaftliche Vorteile bringen.
Besonders hervorgehoben wurde für den Bereich Bahn das Vorzeigeprojekt Riedbahn, bei dem eine schnelle und effiziente Planung und Umsetzung demonstriert wurde und das als Vorbild für zukünftige Innovationen im Schienengüterverkehr dienen könnte. Im Zuge dieser Infrastrukturmaßnahme wird die Strecke mit ETCS Level 2 ausgerüstet. Das System dient als Grundlage eines automatisierten Bahnbetriebs.

KI und Hybride Lösungen für den Einsatz von Drohnen
Jörg Schamuhn, von der AIRIAL UAS GmbH, stellte in seinem Vortrag die Entwicklung und Produktion unbemannter Luftfahrtsysteme für den Bahnbereich vor. Sein Unternehmen verfolgt das Ziel, Drohnen in Deutschland zu fertigen, um die Abhängigkeit von nicht-europäischen Komponenten und Märkten zu vermeiden. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit kritischer Infrastruktur und Datenschutz von Bedeutung. Ein großes Problem herkömmlicher senkrechtstartender Drohnen sind die geringen Flugzeiten von unter 20 Minuten sowie die hohe Wetter- und Windabhängigkeit.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzt Airial UAS auf eine Hybridlösung aus Hubschrauber und Gyrocopter. Dieses Konzept kombiniert die Fähigkeit zum Senkrechtstart mit hoher Fluggeschwindigkeit und einem vergleichsweise niedrigen Energieverbrauch. Die mittelgroße Drohne kann bis zu 8 kg Nutzlast für eine Flugdauer von zwei Stunden transportieren. Prototypen mit einer Tragfähigkeit von bis zu 250 kg wurden bereits erfolgreich getestet.
Die Deutsche Bahn hat mit Airial UAS ein Abkommen geschlossen, diese Drohnen bereits ab 2025 zur Überwachung des Gleiskörpers einzusetzen. Sie sollen insbesondere zur Detektion von Personen im Gleisbereich sowie für die digitale Erfassung des Streckennetzes genutzt werden. Die Drohnen operieren in einer Höhe von 120 Metern über dem Boden.
Ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der Zulassungsfähigkeit des Systems ist, dass der Autopilot der Drohne selbst keine KI-Software verwendet. Stattdessen erfolgt die Objekterkennung über ein abgekapseltes KI-System, das externe Objekte identifiziert und dem Autopiloten zur weiteren Verarbeitung meldet. Um die Wirtschaftlichkeit des Systems zu gewährleisten, ist geplant, dass ein einzelner Operator mindestens drei Drohnen parallel steuert, wobei dieser nur bei abweichenden Situationen aktiv eingreifen muss.
Synergien zwischen Luft und Schiene
Die anschließende Diskussion konzentrierte sich auf praxisnahe Herausforderungen und mögliche Lösungen für eine effizientere Gestaltung des Schienengüterverkehrs sowie den Einsatz unbemannter Luftfahrtsysteme. Es wurde noch einmal betont, dass Innovationen im Güterverkehr schrittweise umgesetzt werden müssen, um wirtschaftlich tragfähig zu sein. Eine Flexibilisierung des Einzelwagenverkehrs könnte wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem LKW beitragen. Zudem wurde das Potenzial von Drohnentechnologie für den Bahnbereich bestätigt, insbesondere in der Infrastrukturüberwachung.
Ähnlich wie im Schienenfahrzeugbereich selbst ist die Regulatorik und Zulassung von unbemannten Systemen in der Luftfahrt ein Bereich, für den bisher keine allgemeingültige Regulatorik besteht. Aktivitäten werden daher in der Regel mit Einzelzulassungen umgesetzt. Diese Thematik bietet Potenzial für einen vertieften Austausch, auch über Verkehrsträger hinweg.
Fazit
Das Arbeitskreistreffen Schiene im Rahmen von innocam.NRW lieferte wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung der Automatisierung und Digitalisierung im Schienenverkehr. Die vorgestellten Projekte verdeutlichten das hohe Innovationspotenzial und die vielfältigen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit.
Effiziente Lösungen zur Reduzierung manueller Prozesse, insbesondere im Einzelwagenverkehr, können die Wirtschaftlichkeit des Schienengüterverkehrs erheblich steigern. Die Einführung neuartiger Technologien wie der Digitalen Automatischen Kupplung und assistierter Bremsproben bieten Potenzial für eine schnellere Implementierung von Innovationen. Zudem zeigt die Nutzung unbemannter Luftfahrtsysteme vielversprechende Ansätze für die Infrastrukturüberwachung und Wartung. Die Diskussionen machten klar, dass wirtschaftliche Anreize und praxisnahe Umsetzungsschritte entscheidend sind, um den Schienenverkehr langfristig konkurrenzfähig zu gestalten.
Sprechen Sie uns gerne bei Fragen und Ideen zum Thema gerne an an. Sie erreichen uns per E-Mail unter jeries.shamshoom@innocam.nrw oder telefonisch unter 0241 80 25569.