Eingang des JRC – Warteschlange an der Sicherheitskontrolle © Jonathan Vahsen


Aus unserem BLOG • Von Marcel Sonntag, innocam.NRW • Mai 2025

Die europäische Community zum automatisierten und vernetzen Fahren traf sich im Joint Research Centre in Ispra

Die bereits zum fünften Mal ausgerichtete Konferenz EUCAD (European Conference on Connected and Automated Driving), welche gemeinschaftlich von der Europäischen Kommission, der CCAM Partnership und dem Projekt FAME organisiert wurde, bot drei Veranstaltungstage mit Vorträgen, Diskussionsrunden, einer Ausstellung und Demonstrationen des automatisierten und vernetzten Fahrens. Wir gewähren Ihnen Einblicke in ausgewählte Themen der Konferenz.

Fokussiertes Forschungstreffen

Nur noch die hohen Sicherheitsvorkehrungen lassen darauf schließen, dass das Arial, auf dem die EUCAD 2025 stattfand, ursprünglich zur Erforschung der Atomenergie errichtet wurde. Nun werden am Joint Research Centre (JRC) verschiedenste Themen erforscht, so auch die automatisierte und vernetze Mobilität.

Die hochkarätig besetzte Eröffnungssession schwor die Teilnehmenden auf das Thema ein. Vor allem eine höhere Geschwindigkeit hin zur flächendeckenden Einführung des automatisierten und vernetzen Fahrens in Europa sei nötig. Dies könne erreicht werden durch klare Ziele aber auch mehr Kollaboration. Für letzteres müssten vor allem die „Legacy“ der Automobilindustrie hinter sich gelassen werden, um sich den disruptiven Veränderungen stellen zu können, die uns erwarten.

Im Anschluss an das Eröffnungspanel stellte die fka GmbH aus Aachen ihre Untersuchungsergebnisse zu bestehenden europäischen Projekten vor. Die Forschenden analysierten, wie die Förderprojekte auf die Ziele des CCAM Partnership einzahlen. Obwohl viele Projekte noch nicht abgeschlossen sind, war das Fazit insgesamt positiv. Verkehrssicherheit und die Perspektive der Nutzenden waren häufig primäre Ziele in den Projekten. Zusätzlich stellten die Vortragenden fest, dass KI als Enabler zur Optimierung bestehende Systeme gesehen wird.

Präsentation der CCAM Analyse Ergebnisse durch Prof. Dr.-Ing. Adrian Zlocki von der fka GmbH © Jonathan Vahsen

Die Vorstellung des FAME Projekts erfolgte durch Stephane Dreher, Head of CCAM, ERTICO – ITS Europe. Als Ergebnis des Projekts wurde bereits eine Methodik zur harmonisierten Auswertung der vernetzten und automatisierten Mobilität (EU-CEM) veröffentlicht und durch eine Wissensdatenbank ergänzt, in der unter anderem Begrifflichkeiten und geltende Standards aufgeführt werden.

Highlights aus den themenspezifischen Sessions

In der Session “Remote Operations and Perspectives for CCAM” ging es zunächst um Begriffsdefinitionen. Nach Lena Plum von der BASt ist eine klare Unterscheidung zwischen „Remote Assistence“ und „Remote Driving“ nötig. Ersteres ist zum Beispiel vergleichbar mit der technischen Aufsicht in der AFGBV, die keinen direkten Eingriff durch den Operator in die Längs- oder Querführung vorsieht. Beim Remote Driving ist dies jedoch der Fall, was erhebliche rechtliche aber auch technische Auswirkungen hat. Sowohl Pia Wijk von Einride als auch Azra Habibovic von Scania, welche die Industriesicht in die Diskussionsrunde brachten, sehen Remote Operations als Ergänzung zum automatisierten Fahren. Ziel sei es jedoch, dass das automatisierte System perspektivisch alle Situationen selbstständig lösen kann und dass Interaktionen mit dem Remote Operator weniger werden, sodass es irgendwann primär um die Fahrgastbetreuung etc. gehen soll. Nur so seien sinnvolle Geschäftsmodelle realisierbar.

In der Session „Comprehensive scenario-based assessment for automated vehicles“ wurde über Sicherheitsaspekte diskutiert. Trent Victor von Waymo demonstrierte auf Grundlage der umfangreichen Praxiserfahrungen, dass automatisiertes Fahren bereits heute reale Sicherheitsgewinne bringt. Er unterstrich zudem die Bedeutung von Unfalldaten, um automatisierte Systeme mit menschlichem Fahrverhalten vergleichen zu können.

Auch beim Thema der Regulatorik tut sich einiges auf europäischer Ebene. Das “European Forum for Automated Transport” stellte ihre Agenda vor. Das Ziel ist es unter anderem, die Regulatorik in der EU für die Erprobung automatisierter und vernetzter Fahrzeuge zu harmonisieren. Dies zeigte sich auch in der Besetzung der Session. Neben Claire Depré, Head of Unit Road Safety, European Commission Directorate-General for Mobility and Transport (DG MOVE) waren die Niederlande, Schweden, Österreich, Frankreich, und Tschechien in der Runde vertreten. Von der Industrie getriebene Projekte wie Hi-Drive und FAME liefern dafür Bottom-Up wichtige Beiträge. Die Umsetzung des Ganzen in konkrete Regulatorik steht jedoch noch aus.

Diskussionsrunde mit CCAM Expert:innen und Studierenden aus Finnland, England und den Niederlanden © Jonathan Vahsen

Eine Session stach während der Veranstaltung besonders heraus. Während in den übrigen Sessions primär fachliche Expert:innen mitwirkten, wurde die Session „CCAM as a means to achieve societal goals“ durch drei Studierende verschiedener europäischer Hochschulen als Expert:innen für die Bedarfe der zukünftigen Nutzenden der Mobilität ergänzt. Daraus resultierte eine belebte Diskussion mit den weiteren fachlichen Expert:innen der Diskussionsrunde aber auch mit dem Publikum. Die Studierenden sehen vor allem einen Bedarf, den ländlichen Raum besser anzubinden, um langfristig auf eigene Pkw verzichten zu können. Sie präferieren eine verbesserte Flächennutzung in den Städten und sind dafür bereit, Fahrten mit anderen zu teilen.

Demonstrationen und Ausstellung

Demonstration der fka GmbH © Jonathan Vahsen
Demonstration des DLR © Jonathan Vahsen

Begleitet wurden die Sessions durch zahlreiche Demonstrationen des vernetzten und automatisierten Fahrens außerhalb des Konferenzzentrums. Das abgesperrte Arial ermöglichte es, mit überschaubarem administrativen Aufwand Demonstrationen verschiedener Reifegrade durchzuführen. So demonstrierte unter anderem die fka GmbH ihren automatisierten VW Passat, der auf dem Gelände im Mischverkehr unterwegs war. Auf der Strecke fand weiterhin der reguläre Verkehr des JRC Geländes inklusive Fahrzeugen und vulnerablen Verkehrsteilnehmern statt. Darüber hinaus demonstrierte das DLR auf einem zusätzlich auf dem JRC-Gelände abgesperrten Bereich ihr U-Shift Fahrzeugkonzept im dynamischen Betrieb.

Besonders überraschte bei den Demonstrationen das britische Unternehmen Wayve, das ihren automatisierten Pkw auch außerhalb des JRC Geländes einsetzten durfte. Das Unternehmen setzt auf einen end-to-end Ansatz beim automatisierten Fahren und weicht somit von konventionellen Ansätzen ab, der die Fahraufgabe üblicherweise in sense-think-act aufteilt.

Wayve Fahrzeug © Jonathan Vahsen

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass die CCAM Community viel zu bieten hat. Die präsentierten Forschungsergebnisse demonstrieren eindrucksvoll, wie breit in der EU am Thema der automatisierten und vernetzten Mobilität gearbeitet wird. Es wird jedoch auch deutlich, dass die einzelnen Ergebnisse stärker zusammengeführt werden müssen, um für die Nutzenden reale Mobilitätslösungen für die Zukunft schaffen zu können. Der Wille seitens der Community aber auch auf politischer Ebene ist da. Jetzt müssen diesem guten Vorsatz Taten folgen. Mit einem „Large-Scale Demonstration“-Projekt, mit einer Fördersumme, die alle bisherigen Summen in CCAM Projekten übersteigt, soll dies ermöglicht werden.

Alle Bildnachweise: EUCAD © Jonathan Vahsen


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