
Nachbericht mFUND Checkout: Impact-Pitches zum GehwegNavi und EM4Q
Aus unserem BLOG • Von Nadine Teusler, innocam.NRW • November 2025
Die mFUND Checkout-Veranstaltung stellt monatlich unterschiedliche abgeschlossene Projekte in Impact-Pitches vor. Zusätzlich bieten Breakout-Sessions vertiefte Einblicke in Ergebnisse und Verwertungsperspektiven. Am 15.10.2025 standen die Projekte GehwegNavi – Nutzbarmachung des Gehwegs für das autonome Fahren von Mikromobilen durch Erzeugung eines navigierbaren Datensatzes und EM4Q – Entwicklung und Erprobung eines dynamischen Lademanagements für Niederspannungsortsnetze im Fokus, wobei das erste Projekt nachfolgend näher erläutert wird.
GehwegNavi – Nutzbarmachung des Gehwegs für das autonome Fahren von Mikromobilen durch Erzeugung eines navigierbaren Datensatzes
Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Verkehr geförderten Projekts (Laufzeit: 03/2024–08/2025) arbeitete die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Fakultät Technik und Informatik, Department Maschinenbau und Produktion, an einem innovativen Vorhaben zur Ermöglichung autonomen Fahrens auf dem Gehweg. Während die Automobilindustrie bereits vielfältige Assistenzsysteme für den Straßenverkehr entwickelt hat, fehlt es bislang an Lösungen für die sichere Navigation von Assistenzsystemen für Blinde im komplexen Umfeld von Gehwegen. Diese stellen mit Hindernissen wie Pfützen, Pollern, Mülltonnen, parkenden Fahrzeugen, Bäumen oder auch plötzlich auftretenden Personen oder Tieren eine besondere Herausforderung dar.
Ziel des Projekts war es daher, ein digitales Navigationssystem für Mikromobile zu entwickeln, um optimale Laufwege bereitzustellen. Dafür wurden unterschiedliche, bisher unvollständige Datenquellen u.a. zu Gehwegbreiten, Hindernissen und anderen Merkmalen zusammengeführt und vernetzt. Hierbei wurden Datensätze aus der Mobilithek und OSM-Kartenmaterial genutzt und durch weitere Informationen (Datengewinnung vor Ort, z.B. Bushaltestellen, Taxistände, barrierefreie Plätze, Hindernisse, Zebrastreifen) deutlich angereichert.
Die Mobilithek ist die zentrale Datenplattform des Bundesministeriums für Verkehr (BMV) für Mobilitätsdaten in Deutschland. Sie dient als nationaler Zugangspunkt, über den Verkehrsdaten wie Fahrpläne, Echtzeitinformationen oder Standorte von Sharing-Angeboten bereitgestellt und genutzt werden können. Ziel ist es, eine vernetzte, datenbasierte Mobilität zu ermöglichen und Innovationen im Verkehrsbereich zu fördern. Darüber hinaus teilt die Mobilithek die Grundsätze der Vernetzung mit den anderen nationalen Zugangspunkten in Europa, damit digitale Dienste grenzüberschreitend möglich sind.
Das OSM-Kartenmaterial stammt von OpenStreetMap (OSM), ein gemeinschaftlich erstellter, frei verfügbarer Kartendienst zur Erfassung von Geodaten weltweit. Freiwillige tragen Straßen, Wege, Gebäude, Gewässer und andere geographische Objekte mithilfe von GPS-Daten, Luftbildern und lokalen Kenntnissen ein. Ziel ist es, eine frei nutzbare und ständig aktualisierte Alternative zu kommerziellen Kartendiensten zu bieten, die für Navigation, Forschung, Stadtplanung und viele andere Anwendungen verwendet werden kann.
Die Umsetzung und Praxistauglichkeit der entwickelten Technologie wurde anhand des Assistenzsystems „Shared Guide Dog 4.0“ demonstriert – einem autonom navigierenden Rollator, der Blinden und Sehbehinderten ähnlich wie ein Blindenführhund zur Verfügung steht und per Ausleihsystem genutzt werden kann. Die Tests fanden auf einem abgegrenzten Hamburger Testgebiet statt. Darüber hinaus begleiteten zwei Blindenvereine die Erprobung als Nutzergruppen.
Die Ergebnisse des Projektes GehwegNavi unterstützen blinde und sehbehinderte Menschen, sich sicherer und selbstständiger im öffentlichen Raum zu bewegen. Erfasste detaillierte Informationen können somit digital zur Verfügung gestellt werden. So können Navigationshilfen oder Assistenzsysteme barrierefreie und sichere Routen gezielt vorschlagen. Dadurch wird die Orientierung erleichtert und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gestärkt.
Entwicklungspotentiale
Um die Assistenzsysteme für Blinde im komplexen Umfeld von Gehwegen weiter zu verbessern, sind zusätzliche Entwicklungsschritte notwendig, um auch die vielgestaltigen urbanen Realitäten zuverlässig abzubilden. Bewegliche Gegenstände wie herumliegende E-Roller stellen plötzliche Hindernisse dar, die eine schnelle und präzise Erkennung erfordern. Ebenso bedeuten Hindernisse in der Höhe, wie beispielsweise herabhängende Äste, nicht ordnungsgemäße Baustellenbeschilderung oder beschädigte Infrastruktur, eine zusätzliche Dimension der Wahrnehmung, die über herkömmliche Sensorik hinausgeht. Ziel ist es, Objekte nicht nur zu erkennen, sondern auch deren Bewegungs- und Historiendaten zu nutzen, um vorherzusagen, wie sich diese in naher Zukunft verhalten könnten.
Die damit einhergehende adaptive Pfadführung muss temporäre Barrieren frühzeitig erkennen und sichere Umgehungswege vorschlagen. Zusätzlich sind personalisierte Nutzerschnittstellen nötig, die sich an individuelle Bedürfnisse orientieren.
Sicherheit, Privatsphäre und Komfort bleiben zentrale Leitprinzipien: Die Systeme sollen redundante Sicherheitsmechanismen bieten, Missinterpretationen minimieren und klare, nachvollziehbare Rückmeldungen geben. Eine enge Einbettung in städtische Infrastrukturen, regelmäßige Feldtests in realen Umgebungen sowie standardisierte Evaluationen sind essenziell, um Vertrauen aufzubauen und die Alltagspraktikbarkeit zu gewährleisten.
Nächste Schritte
Im Rahmen eines Transferprojektes des Bundesministeriums für Forschung, Wissenschaft und Raumfahrt wurde eine Anschlussförderung angestrebt, um die erzielten Ergebnisse in eine nachhaltige, praxisnahe Weiterentwicklung zu überführen. Die Laufzeit des Vorhabens beträgt 2,5 Jahre und bildet den Brückenschlag von der anwendungsnahen Forschung hin zur wirtschaftlich tragfähigen Implementierung. Ziel ist die Gründung eines Start-ups, das die Aktivitäten fortführt, systematisiert weiterentwickelt und marktfähige Lösungen für die Barrierefreiheit im urbanen Raum anbietet.
Rahmeninformationen zum mFUND
Der mFUND des Bundesministeriums für Verkehr fördert Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu digitalen, datenbasierten Mobilitätsanwendungen. Zusätzlich wird die Vernetzung durch Veranstaltungen und Zugang zu den Mobilitäts-Datenportalen Mobilithek und Mobility Data Space unterstützt. Die Begleitforschung mPACT analysiert und dokumentiert Ergebnisse und liefert Impulse für Wissenschaft, Fachwelt und Politik. Seit Dezember 2023 betreut ein Konsortium aus iit (VDI/VDE-IT) und TÜV Rheinland die Forschungsbegleitung. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite daten.plus.
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