
North Sea MASS Symposium 2026
Aus unserem BLOG • Von Christopher Schulte, innocam.NRW • November 2025
Am 14. Oktober fand das zweite North Sea MASS Symposium in Southampton, Großbritannien, statt. Ziel des Symposiums war es, die Kooperation bei der Entwicklung des MASS-Codes der Internationalen Maritime Organization (IMO) zu stärken und gleichzeitig wichtige Projekte, Anwendungen und Erfahrungen aus der MASS-Industrie zu präsentieren.
Das North Sea MASS Symposium vereinte verschiedene Partner aus dem maritimen Sektor. MASS steht für „Maritime Autonomous Surface Ships“. Im Verlauf des Tages fanden Diskussionsrunden und Präsentationen von Expert:innen aus unterschiedlichen Ländern statt. Insgesamt waren Fachleute aus sieben Nationen vertreten, darunter Deutschland, die Niederlande, Norwegen, Frankreich, Großbritannien, Belgien und Dänemark. Die Beiträge kamen sowohl aus der Industrie als auch aus dem regulatorischen Bereich.
Ein zentraler Schwerpunkt lag auf der Entwicklung des MASS-Codes. Dieser soll im Jahr 2026 veröffentlicht werden und ab 2032 verbindlich für maritime autonome Schiffe sein. Der Code bietet einen umfassenden Überblick über kommende Regularien im Bereich autonomer oder automatisierter Schiffe und wird zielorientiert sowie in enger Abstimmung mit der Industrie formuliert. Daher spielt der Dialog mit Industriepartnern eine entscheidende Rolle, insbesondere in der Übergangszeit zwischen der ersten Version und der ersten verpflichtenden Fassung des MASS-Codes.

In einem Panel mit verschiedenen Expert:innen wurden mehrere wichtige Themen besprochen. Ein erster Punkt war die Rolle des „Schiffsmasters“. Laut aktuellen Vorschriften müssen qualifizierte Schiffsführer an Bord sein. Sie übernehmen nicht nur betriebliche Aufgaben, sondern tragen auch die Verantwortung im Haftungsbereich. Die heutigen Anforderungen stellen jedoch eine bedeutende Herausforderung dar, insbesondere für den Einsatz automatisierten Schiffen, da die Aufgaben des Masters neu verteilt werden müssen. Das Navigieren könnte vollständig an eine Person in einer Fernsteuerzentrale übertragen werden. Diese Person könnte jedoch nicht der neue Master sein, da die Entfernung zum Schiff mit anderen Vorschriften im Widerspruch steht. Daher muss die Definition des „Schiffmasters“ angepasst werden. Außerdem ergeben sich durch die Automatisierung neue Fragen. In der Industrie ist die notwendige Qualifikation einer Person in der Fernsteuerzentrale ein Thema, deren Hauptaufgabe die Navigation ist. Derzeit ist dafür ein STCW-Zertifikat erforderlich. Zudem wurde die Frage aufgeworfen, ob ein MASS als automatisiertes Schiff betrachtet werden sollte und welche Auswirkungen dies auf andere Verkehrsteilnehmer hätte. Im Fokus stehen hier Vorfahrtsregeln, Verantwortungszuordnung und die Interaktion mit bemannten Schiffen sowie mit Infrastrukturbetreibenden an Brücken und Schleusen. Zudem könnten sich Anforderungen an Erkennbarkeit, Kommunikation und Kollisionsvermeidung, etwa durch Lichterführung, AIS/VDES-Meldungen und standardisierte Remote-Interventionsprozesse ändern.
Ein weiteres Thema war die Notwendigkeit internationaler Kooperationen im Kontext von MASS. Aktuell besteht das Problem, dass ein Schiff unter einer bestimmten Landesflagge nicht von einer Fernsteuerzentrale in einem anderen Land gesteuert werden darf. Dies erschwert grenzüberschreitende Projekte und hemmt die Entwicklung effizienter Lösungen. Bei den vorgestellten Testfahrten waren Sondergenehmigungen aus verschiedenen erforderlich.
Die genannten Herausforderungen sind auch im Bereich der Binnenschifffahrt relevant, da hier ebenfalls Regularien für Schiffskapitäne existieren und die schiffbaren Flüsse in Mittel- und Westeuropa wie der Rhein meist Ländergrenzen überschreiten.
Neben den Regularien präsentierten verschiedene Unternehmen ihre aktuellen Arbeiten und Projekte auf dem Symposium. Der Fokus lag vor allem auf ferngesteuerten Schiffen, gesteuert durch stationäre Fernsteuerstände außerhalb der Fahrzeuge. Verschiedene Anwendungsbereiche wurden dargelegt, darunter automatisierte Boote zur Meeresbodenuntersuchung oder zur Messung von Windstärken. Durch den Einsatz von Fernsteuerzentralen konnten diese Firmen auch mit kleineren Teams an globalen Projekten teilnehmen. Die Firma „Uncrewed Survey Solutions“ stellte ein Exponat ihres aktuellen Schiffes vor, welches vor Ort besichtigt werden konnte.
Interaktive Sessions
Abschließend wurden verschiedene Breakout-Sessions abgehalten, wobei eine besonders die Sicherheit von Automatisierungssystemen hervorhob. Teilnehmende aus Forschung, Industrie und Recht diskutierten über die Sicherheit dieser Systeme. Während Systeme mit maschinellem Lernen in der Forschung verbreitet sind und viele Entwicklungsmöglichkeiten bieten, treten bei ihrer Verifizierung oft Herausforderungen auf. Insbesondere Vertreterinnen und Vertreter aus regulatorischen Bereichen äußerten sich teilweise skeptisch gegenüber diesen Ansätzen.
Um diese Skepsis zu überwinden, betonten Industrievertreter die Bedeutung einer schrittweisen Einführung automatisierter Systeme in praxisnahe Anwendungen. Die vorgestellten Fälle zu ferngesteuerten Schiffen fanden meist auf hoher See statt und betrafen häufig kleinere Fahrzeuge, wodurch das Risiko für Personen und andere Wasserfahrzeuge gering war. Für die Binnenschifffahrt ist jedoch aufgrund der begrenzten Fahrwasser besondere Vorsicht geboten. Aus diesem Grund könnte dort eine schrittweise Implementierung von Vorteil sein. Für den ersten Schritt bedeutet dies noch das Testen von Fernsteuerung oder Automatisierungssystem mit vollständiger und aufmerksamer Besatzung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anforderungen für MASS und die automatisierte Binnenschifffahrt stark übereinstimmen. Wie bereits erwähnt, sind die Kernpunkte für Regularien und den MASS-Code auch auf die Binnenschifffahrt übertragbar. Daher ist die Veröffentlichung des MASS-Codes ein bedeutendes Dokument, das als Grundlage für die Anpassung der Regularien in der Binnenschifffahrt dienen sollte. Neben den Regularien gaben die vorgestellten Industrievorträge und das Exponat wertvolle Hinweise auf technische Voraussetzungen und Herausforderungen bei der Fernsteuerung von Schiffen.
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