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Autonomes Forschungsfahrzeug auf Straße mit Sensorik auf dem Dach. Es ist weiß mit schwarzer Linienmusterung.

Innovatives Untersuchungswerkzeug im Kontext automatisierten Fahrens: das Wizard-of-Oz Fahrzeug

| Tobias Oetermann und Lena Wirtz, Institut für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University

Vertrauen in automatisierte Fahrzeuge stellt eine der zentralen Herausforderungen dar, wenn es um die Akzeptanz hochautomatisierter Fahrzeuge geht. In diesem Zusammenhang hat das ika ein Versuchsfahrzeug entwickelt und aufgebaut, mit dessen Hilfe notwendige Informationen gesammelt werden können, um gezielt Anzeige- und Interaktionskonzepte zur Unterstützung zukünftiger Fahrer und Fahrerinnen zu entwickeln.

Im Forschungsprojekt EMMI („Empathische Mensch-Maschine-Interaktion zur Erhöhung der Akzeptanz des Automatisierten Fahrens“) geht es darum, Nutzende auf die zukünftige Automatisierung von Fahrzeugen vorzubereiten, indem vor allem die Akzeptanz und das Vertrauen in die Technologie aufgebaut werden soll. Teil der Forschungsfrage ist hierbei zunächst die Identifikation von besonders vertrauenskritischen Situationen im alltäglichen Fahrgeschehen. Diese wurden zunächst literaturbasiert identifiziert und in einem theoretischen Rahmenwerk zum Zusammenspiel von Vertrauen und Technologieakzeptanz erarbeitet (Dautzenberg, 2022). Mithilfe einer Studie im realen Straßenverkehr werden die vertrauensrelevanten Situationen und Indikatoren für das Vertrauen basierend auf den Ergebnissen der Literaturrecherche analysiert.

Von der Idee von mehr Akzeptanz zum tragfähigen Konzept

Dazu wurde ein Versuchsfahrzeug aufgebaut, welches dem Ansatz des Wizard-of-Oz Experimentes folgt (Kelly, 1983). Ziel des experimentellen Ansatzes ist es, automatisierte Funktionen eines Systems bestmöglich abzubilden. Diese automatisierten Funktionen sind dabei technisch nicht umgesetzt, sondern werden durch einen Menschen (Wizard) realitätsnah nachgebildet, ohne dass der Nutzende (Proband/Probandin) Kenntnis über die Anwesenheit bzw. die Handlungen des Wizards hat. In dem hier vorgestellten Anwendungsfall soll den Studienteilnehmenden ein bestmögliches Bild einer automatisierten Fahrt mit SAE-Level 4 beziehungsweise 5 vermittelt werden, ohne wirklich eine Automation abzubilden.

Für die Entwicklung des Versuchsfahrzeuges wurden verschiedene Konzeptansätze miteinander verglichen und auf ihre Eignung für den angestrebten Untersuchungszweck hin evaluiert. In der Literatur lassen sich dazu unterschiedlich komplexe und immersive Umsetzungen finden. Im einfachsten Fall wird die Anwesenheit des Wizards durch eine Sitz-Husse oder eine versteckte Positionierung des Fahrers im Fahrersitz des Fahrzeuges realisiert. Dieser Untersuchungsansatz eignet sich jedoch primär für Untersuchungen, die sich auf die Reaktionen von Passanten und Passantinnen auf ein automatisiertes Fahrzeug fokussieren. Weitere Umsetzungen bauen auf rechtseitig gelenkten Fahrzeugen auf und bilden auf der linken Fahrzeugseite einen Fahrerarbeitsplatz nach. Im Zuge des EMMI-Projektes wurde aus Gründen der bestmöglichen Illusion ein Konzept entwickelt, welches mithilfe eines Steer-by-Wire Systems zwei vollfunktionsfähige Fahrerarbeitsplätze abbildet. Der Wizard kann so auf dem zweiten Fahrerarbeitsplatz auf der konventionellen Beifahrerseite des Fahrzeuges Platz nehmen.

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Versuchsfahrzeugs

Die Abbildung 1 zeigt den schematischen Aufbau des Konzeptansatzes. Im Fahrzeug ist zusätzlich zum Steer-by-Wire System eine Fahrschulpedalerie verbaut. Die Bedienung des Steer-by-Wire Systems ist über einen Joystick an der Beifahrertür umgesetzt. Diese Lenkung ist von außen nicht erkennbar und das Lenkrad auf Fahrerseite dreht sich entsprechend des realen Lenkwinkels mit, da die mechanische Kopplung nach wie vor vorhanden ist. Somit kann eine bestmögliche Illusion seitens der Probanden und Probandinnen gewährleistet werden. Unterstützt wird dies während der Fahrt durch eine Sichtverdeckung, die den konventionellen Fahrerarbeitsplatz vom Wizard-Arbeitsplatz trennt. Die dadurch entstandene Sichtversperrung des eigentlichen Fahrenden wird mithilfe eines Spiegelersatzsystems kompensiert. Durch ein mechanisches Umschalten zwischen den Systemen kann das Fahrzeug von beiden Seiten betrieben werden. Dem einzigartigen Aufbau wurde eine Zulassung für das gesamte Straßennetz des Landes NRW erteilt.

Vertrauen in neue Technologien schaffen - die konkrete Umsetzung im Versuchsfahrzeug

Die Umsetzung des dargestellten Konzeptes in Form des umgebauten Versuchsfahrzeugs ist Abbildung 2 zu entnehmen. Die gewählte Folierung und äußerliche Darstellung mit nachgebildeten Lidar-Sensoren unterstützt zudem den Eindruck eines automatisierten Forschungsfahrzeuges. Den Testpersonen kann so vermittelt werden, dass es sich um ein automatisiertes Fahrzeug handelt, auf dessen Beifahrerseite eine Sicherheitsperson platziert ist, die im Falle eines Systemausfalls einen sicheren Nothalt veranlassen kann. Dadurch können flexible Studiendesigns realisiert werden, die sich auf Konstrukte wie das Vertrauen in die Automation, die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine oder weitere Themen fokussieren, welche nicht in direkter Verbindung zur Funktionsentwicklung automatisierter Fahrzeugfunktionen stehen.

Abbildung 2: Umgebautes Versuchsfahrzeug "Wizard-of-Oz"

Von innen ist das Fahrzeug mit umfänglicher Sensorik ausgestattet, die während der Studie im realen Straßenverkehr den Gemütszustand der Versuchsperson mit objektiven Kenngrößen erfasst. Basierend auf der Kenntnis von Situationen im Fahralltag, die einen negativen Einfluss auf das Vertrauensniveau der Nutzenden haben, werden im Projekt anschließend gezielt Anzeige- und Interaktionskonzepte entwickelt, die bei detektierten Vertrauensschwankungen durch gezielte Unterstützung helfen, das Vertrauen in das automatisierte System zu festigen.

Quellennachweis

Kelley, J. F. (1983). “An empirical methodology for writing user-friendly natural language computer applications” in Proceedings of ACM SIG-CHI ’83 Human Factors in Computing systems (Boston, 12–15 December 1983), New York, ACM, pp. 193-196.

Dautzenberg, P., Voß, G. (2022). “A theoretical framework for trust in automation considering its relationship to technology acceptance and its influencing factors” In: Katie Plant and Gesa Praetorius (eds) Human Factors in Transportation. AHFE (2022) International Conference. AHFE Open Access, vol 60. AHFE International, USA.

Logo des Projekts EMMI in Rot und Blau.

Erfahren Sie hier mehr über das interdisziplinäre Team des Vorhabens EMMI

Von den erfahrenen Akteuren aus Forschung und Industrie, die im Projekt EMMI intensiv daran arbeiten, im Ergebnis bei den Nutzer:innen eines automatisierten Fahrzeuges Vertrauen in die neue Technologie aufzubauen, bringt jeder seine ausgewiesenen Kernkompetenzen aus dem Bereich Automatisierung und Vernetzung der Mobilität ein.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt "EMMI"

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