Am 20.03.2025 fand das vierte Arbeitskreistreffen für den Verkehrsträger Schiene im Rahmen von innocam.NRW statt. Thematisch beschäftigten sich die Teilnehmenden mit Automatisierung im Güterverkehr und dem Einsatz unbemannter Luftfahrtsysteme im Bahnbereich. Diskussionspunkte betrafen unter anderem die digitale automatische Kupplung (DAK), Flexibilisierung des Einzelwagenverkehrs und Drohnentechnologie zur Infrastrukturüberwachung. Zentrale Erkenntnis des Treffens war es, dass die Innovationen stärker wirtschaftlich tragfähig sein müssen.
Zur Begrüßung stellte sich Professor Raphael Pfaff als neuer Institutsleiter des Instituts für Schienenfahrzeuge der RWTH Aachen University (ifs) vor und Professor Manfred Enning von der FH Aachen eröffnete mit einem Impulsvortrag den inhaltlichen Teil. Er beleuchtete in die aktuellen Herausforderungen im Schienengüterverkehr und wies darauf hin, dass dieser Bereich nach wie vor von einem hohen Anteil manueller Arbeit geprägt ist. Besonders aufwendig gestalten sich die Vor- und Nachbereitungen der eigentlichen Zugfahrten. „Der Güterzug ist auf der Strecke unschlagbar, aber zwischen Zusammenstellung und Abfahrt vergehen mehrere Stunden.“ Hier besteht hohes Potenzial zur Automatisierung bei gleichzeitig hohem wirtschaftlichem Potenzial. Während der Modal Split des Schienengüterverkehrs in den letzten zwei Jahrzehnten konstant bei etwa 20%, gemessen an der gesamten Güterverkehrsleistung in Deutschland, lag, entfallen lediglich 2% des gesamten Logistikumsatzes auf diesen Bereich. Dies verdeutlicht, dass der Schienenverkehr wirtschaftlich noch immer eine untergeordnete Rolle spielt.
Herausforderungen für den Güterverkehr auf der Schiene
Eine Herausforderung ist die Beladung der Güterwagen, die im Gegensatz zu den hochautomatisierten Prozessen in Logistikzentren für LKW, die an Terminals automatisiert von der Rückseite aus be- und entladen werden können, im Handling wesentlich komplexer ist. Das Schienennetz ist als Knotensystem mit neun großen Rangierbahnhöfen in Deutschland organisiert, wodurch die Abläufe aufwendig und kostenintensiv sind. Die größte Herausforderung stellt nicht die Zugzusammenstellung selbst dar, sondern die nachgelagerten manuellen Arbeiten, die sogenannten Wagenmeisteraufgaben wie der Kontrollgang rund um den Gesamtzug oder die Bremsprobe dar. Diese heute manuell durchgeführten Aufgaben sind zusätzlich vom Fachkräftemangel betroffen und bieten hohes Automatisierungspotenzial.
Enning stellte daraufhin das Konzept der sogenannten „Briefkastenbedienung“ vor. Dieses Modell sieht vor, dass einzelne Güterwagen selbstständig vom Nebengleis zum Terminal fahren, sodass keine Rangierlok mehr erforderlich ist und Arbeitsgänge sowie Wartezeiten reduziert werden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist jedoch eine eigenständige Energieversorgung der Güterwagen, die durch die neue VDI-Richtlinie 5905 geregelt wird. Um langfristig eine effizientere Abwicklung des Güterverkehrs zu gewährleisten, müssen zudem Sensorik und Automatisierung schrittweise integriert werden.
Wirtschaftliche Dimension der DAK
Zur Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) wurden im Plenum zwei Sichtweisen dargelegt. Eine sofortige Einführung hätte den Vorteil sofortiger Verfügbarkeit für beliebige nachfolgende Automatisierungsschritte. Für ein differenziertes und schrittweises Vorgehen bei der Automatisierung von Güterwagen spricht, dass die hohen Investitionen der Einführung der DAK zeitlich verschoben werden und es Betreibern ermöglicht wird, bereits frühzeitig mit geringen Investitionssummen durch die Automatisierung wirtschaftlichen Ertrag zu generieren (vergleiche Forschungsprojekte Güterwagen 4.0 und DAWN-LM).
Als Positivbeispiel wurde auf das von PJM zugelassene System für eine automatische Bremsprobe verwiesen, das in der Schweiz bereits im Serieneinsatz ist und in Deutschland erprobt wird. Als pragmatische Übergangslösung wurde die Einführung einer assistierten Bremsprobe vorgeschlagen, bei der der Wagenmeister während seines Rundgangs die Bremsen visuell überprüft und die Daten anschließend digital erfasst.
Wirtschaftliche Anreize wurden als wesentlicher Treiber für technologische Innovationen benannt. Investitionskapital für die Modernisierung des Einzelwagenverkehrs ist vorhanden, insbesondere bei Logistikunternehmen und Herstellern. Entscheidend sind Lösungen, die kurzfristig umsetzbar sind und wirtschaftliche Vorteile bringen.
Besonders hervorgehoben wurde für den Bereich Bahn das Vorzeigeprojekt Riedbahn, bei dem eine schnelle und effiziente Planung und Umsetzung demonstriert wurde und das als Vorbild für zukünftige Innovationen im Schienengüterverkehr dienen könnte. Im Zuge dieser Infrastrukturmaßnahme wird die Strecke mit ETCS Level 2 ausgerüstet. Das System dient als Grundlage eines automatisierten Bahnbetriebs.