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Binnenschiff mit weißem Aufbau und blauem Sonnenschutz fährt unter einer grünen Stahlbrücke auf einem Fluss.
Binnenschiff ©bernswaelz pixabay

Manövrieren in die Zukunft: Impulse für die automatisierte Binnenschifffahrt in NRW

| Tim Rehbronn, innocam.NRW

Die Binnenschifffahrt ist für NRW zentral – zuverlässig, effizient, klimafreundlich. Gleichzeitig bremsen Personalmangel, Kostendruck und fehlende Standards den Fortschritt. Das Impulspapier des innocam.NRW‑Arbeitskreises Wasser zeigt vier technische Hebel und eine Querschnittsaufgabe: Testfelder, Kommunikationsstandards, Infrastruktur & Vernetzung, klare rechtliche Rahmenbedingungen sowie die ganzheitliche Betrachtung sozialer und ökologischer Effekte.

Warum jetzt? 

Die Binnenschifffahrt spielt eine Schlüsselrolle für NRW und Deutschland: hohe Zuverlässigkeit, geringe Umweltauswirkungen und Kosteneffizienz. Gleichzeitig drücken demografisch bedingter Personalmangel, Wettbewerbsdruck durch den Straßengüterverkehr und der Anpassungsbedarf an Klimaziele. 2024 wurden in Deutschland rund 174 Mio. Tonnen Güter über Binnenwasserstraßen transportiert; strukturelle Verschiebungen (z. B. weniger Kohle) sind spürbar. NRW verfügt über ca. 720 km Binnenwasserstraßen (Rhein und Kanalnetz) und etwa 120 Häfen – eine starke Ausgangsbasis, um Automatisierung und Vernetzung gezielt zu nutzen. 

Worum es in unserem Impulspapier geht

Das Papier bündelt die Ergebnisse und Diskussionen des innocam.NRW‑Arbeitskreises Wasser und adressiert konkrete Entwicklungsbedarfe auf dem Weg zur automatisierten und vernetzten Binnenschifffahrt. Ein zentraler Gedanke: Höhere Automatisierungsgrade helfen, den Personalmangel abzufedern, Effizienz und Sicherheit zu steigern und die Attraktivität des Berufsbildes zu erhöhen. Trotz vielfältiger Pilot- und Forschungsprojekte bleibt die Marktdurchdringung gering – wir identifizieren deshalb die größten Hebel und legen nächste Arbeitsschritte fest.

Fünf Handlungsfelder

1) Testfelder weiterentwickeln: Einheitliche Standards fehlen; Einzelfall‑Genehmigungen sind aufwändig und bremsen die Erprobung. Physische und virtuelle Testfelder müssen reale Bedingungen abbilden, ohne Personen, Umwelt und Güter zu gefährden. Das BMV‑Programm „Digitale Testfelder an Bundeswasserstraßen“ ist ein Schritt, ersetzt aber keine rechtliche Öffnung. Im Vergleich zu Belgien und den Niederlanden sind bürokratische Hürden in Deutschland hoch; für den Rhein setzt die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) den Rahmen. Wir bereiten Anforderungen, geeignete Gebiete und Behördenperspektiven auf – mit dem Ziel praxistauglicher Reallabore.

2) Kommunikationsstandards für kollaborative Navigation: Heute dominieren AIS und GPS; viele Abläufe laufen weiterhin über analogen Funk. Datenqualität ist ein Kernproblem (u. a. falsch hinterlegte Schiffsdimensionen/Empfängerposition). Für automatisierte Systeme braucht es robuste, sichere Protokolle mit Mehrwertfunktionen wie „Intention‑Sharing“ (geplante Trajektorien) und dem Austausch über erkannte, nicht kommunizierende Hindernisse. Das aktuelle System ist unverschlüsselt und manipulationsanfällig – Dritt‑Verifizierung kann Sicherheit erhöhen.

3) Kommunikationsinfrastrukturen & Vernetzung gezielt ausbauen: Häfen nutzen Budgets primär für Erhalt und Kapazität; was für hohe Automatisierungsgrade zusätzlich nötig ist, ist oft unklar. Programme wie IHATEC sowie die Studie RAIN adressieren Bausteine; eine priorisierte Roadmap fehlt. Vernetzte Logistikketten sind Schlüssel – das Projekt RheinPorts entwickelt mit dem RPIS ein Multi‑Port‑Informationssystem, erste Tests laufen in der Schweiz. NRW bringt mit Rhein und Kanalnetz sehr gute Startbedingungen mit.

4) Rechtsrahmen frühzeitig mitentwickeln: CEVNI und BinSchStrO verankern vielfach einen an Bord befindlichen Schiffsführer (z. B. wird der „Shipmaster“ in rund 22 % der CEVNI‑Regeln und 17 % der BinSchStrO explizit genannt). Für höhere Automatisierungsgrade und mögliche Crew‑Reduktionen sind gezielte Anpassungen notwendig. Frühzeitige Klarheit schafft Investitionssicherheit und verhindert Innovationsstau.

5) Soziale und ökologische Wirkungen mitdenken: Automatisierung verändert Verkehrsmuster, Emissionen und Arbeitsbilder. Viele kleinere, ggf. unbemannte Einheiten könnten Tiefgang, Wellenbildung, Geräuschemissionen und andere Umweltwirkungen verschieben. An Bord wandelt sich das Tätigkeitsprofil – fernüberwachen, warten, entwickeln statt primär navigieren. Breite Studienlagen fehlen; wir wollen Evidenz aufbauen und Debatten datenbasiert führen.

Was wir als Netzwerk als Nächstes tun

Wir organisieren Arbeitskreistermine, in denen wir Anforderungen und Entwicklungspfade strukturieren und bündeln. Geplante Ergebnisse sind u. a.:

  • Technische Anforderungen und rechtliche Vorbehalte für Testfelder erfassen; geeignete Gebiete identifizieren.
  • Bedarfe an künftige Kommunikationsstandards definieren (inkl. Intention‑Sharing, Sicherheit, Verifizierung) und notwendige Testinfrastruktur skizzieren.
  • Infrastruktur‑Roadmap mit Häfen und Behörden vorbereiten (inkl. Andock‑Automatisierung, digital vernetzte Umschlagprozesse, RPIS‑Skalierung).
  • Rechtsfragen priorisieren und in einem Überblicksdokument für Behörden, Betreiber und Hersteller aufbereiten.
  • Forschungslücken zu sozialen und ökologischen Folgen benennen und – wo sinnvoll – Studien anstoßen.

Beispielhafte Motivation

Wie automatisierte Vernetzung Mehrwert stiften kann, zeigt u.a. das EU‑Projekt AutoFlex: Durch intelligente Kopplung von Logistikwegen lassen sich Flexibilität und Effizienz steigern – ein Wegweiser für NRW und darüber hinaus.

Jetzt mitgestalten

Unser Impulspapier ist eine Einladung zum Mitmachen: an Industrie, Häfen, Politik, Behörden und Forschung. Gemeinsam bringen wir die Binnenschifffahrt in NRW technologisch nach vorn – verantwortungsvoll, sicher und wirksam. 

Impulspapier hier herunterladen!
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Porträt von Tim Rehbronn mit Brille, kurzen braunen Haaren in einem weißen Hemd vor grauem Hintergrund.

Tim Rehbronn

Wissenschaftliche Mitarbeit und Arbeitskreis Wasser +49 241 80 28488