Peter Abelmann, Geschäftsführer, Kompetenznetz Logistik.NRW
Logistik in NRW – Status Quo, Herausforderungen und Potenziale
Nur etwa die Hälfte aller Logistikaktivitäten findet innerhalb der klassischen Logistikbranche, also bei spezialisierten Dienstleistern, statt – die übrigen 50 % erfolgen direkt in den produzierenden Unternehmen oder Handelsunternehmen selbst, etwa auf Werksgeländen, Betriebshöfen und in Lagern. Dabei betrifft die Digitalisierung und Automatisierung nicht nur die Mobilität von Waren und Fahrzeugen, sondern eine Vielzahl weiterer Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Da die Logistik ein sehr breites Spektrum an Aufgaben abdeckt, werden Veränderungen nicht flächendeckend, sondern zunächst punktuell und in einzelnen Bereichen umgesetzt werden.
Künstliche Intelligenz kommt dabei vor allem bei besonders komplexen Aufgaben zum Einsatz, etwa in der Planungs- und Entscheidungsunterstützung. Ob sich durch aktuelle Entwicklungen wie Near-Shoring oder die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft gänzlich neue Logistikkonzepte herausbilden, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen. Klar ist jedoch: Die Transformation der Logistik wird vielfältig, schrittweise und stark prozessbezogen erfolgen.
Lukas Ostermann, Head of Research & Development, Karl Koerschulte GmbH
SIDDA - Erforschung von nachhaltigen und intermodalen Logistiknetzwerken mit hochautomatisierten Transportdrohnen
Im Projekt SIDDA wird ein Anwendungsfall für zeitkritische Lieferungen mit geringen Transportgewichten untersucht, bei dem Drohnen innerhalb eines definierten Flugbereichs eingesetzt werden und eine Eingriffsmöglichkeit bei Bedarf besteht. Im Fokus stehen eilige Lieferungen von Unternehmen zu Unternehmen wie Industrieersatzteile oder Medikamente. Ziel der verknüpften Projekte ist die Entwicklung autonomer Drohnen und Drohnen-Fluglinien unter Einsatz Künstlicher Intelligenz. Ziel ist es, eine sichere, präzise und automatisierte Drohnenlogistik zu entwickeln, die sich sinnvoll in bestehende Transportprozesse integrieren lässt. Dabei stellt insbesondere die Steuerung der Drohne mittels Kameras eine Herausforderung dar, da sie häufig mit Akzeptanzproblemen bei Anwohnerinnen und Anwohnern verbunden ist und entsprechende Überzeugungsarbeit erfordert.
Zentrale Entwicklungsschritte im Projekt betreffen die punktgenaue Landung, der Schutz vor unbefugtem Zugriff sowie die Automatisierung wichtiger Prozessschritte wie der Be- und Entladung, des Akkuwechsels, des Aufladens und der Wartung. Ein weiterer Fokus liegt auf der Interoperabilität mit anderen Verkehrsträgern, um ein nahtloses Zusammenspiel im Gesamtsystem der Logistik zu ermöglichen.
Neben dem konkreten Anwendungsfall der schnellen Lieferung besonders wichtiger Produkte werden im Projekt auch weitere potenzielle Einsatzszenarien wie Pendel- oder Rundverkehre untersucht. Dabei steht die Frage im Raum, inwieweit Drohnenlieferungen in zusätzlichen Anwendungsfällen eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Logistiksystem darstellen können. Künftige Arbeiten konzentrieren sich vor allem auf die vertiefte Integration der Drohnen in bestehende Bodeninfrastrukturen und Hubs, um die Interoperabilität mit deren Systemen weiter zu verbessern.
Kaan Altun & Benjamin Eris, wissenschaftliche Mitarbeiter, Hochschule Bielefeld
AQ-Shuttle – Eine Studie über autonome Quartiers-Shuttle mit Mobilstation in Bielefeld
Im Rahmen des Projekts „AQ-Shuttle – autonomes Quartier-Shuttle“ wird eine wissenschaftliche Studie durchgeführt, bei der ein autonomes Gütershuttle eingesetzt wird. Die Unter anderem wird erprobt, wie ein Lieferroboter Einkäufe und anderes Transportgut für die Bürgerinnen und Bürger des Quartiers selbstständig von einem speziellen Quartiersparkplatz zu den Menschen nach Hause bringen kann. Statt ihr Auto vor der Tür oder irgendwo im Viertel abzustellen, wird den Testpersonen im Rahmen der Studie ein Parkplatz zur Verfügung gestellt. Von dort können sie dann andere Verkehrsmittel nutzen, um ohne großes Schleppen bequem nach Hause zu kommen.
Die Studie wird durch das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Förderrichtlinie zur Förderung der Vernetzten Mobilität und des Mobilitätsmanagements (FöRi-MM) gefördert und ist eingebettet in eine beabsichtigte, ganzheitliche Strategie mit weiteren Folgeprojekten. Dazu zählen zum Beispiel die Inbetriebnahme und Nutzung von weiteren autonomen Quartier-Shuttles (AQ) in Bestandsquartieren für die erste und letzte Meile, die Einrichtung einer Mobilstation inkl. Sharing-Angeboten und die Realisierung multifunktionaler Quartiersgaragen mit E-Ladeinfrastruktur.
Im Rahmen des AQ-Shuttle-Projekts soll über eine Ausnahmegenehmigung der Betrieb eines autonomen Lieferroboters auf Gehwegen innerhalb eines festgelegten Siedlungsgebiets in Bielefeld ermöglicht werden. Ziel des Projekts ist es zunächst, die Akzeptanz des neuen Angebots zu erproben – insbesondere, welche Bevölkerungsgruppen den Service nutzen und wie er im Alltag angenommen wird. Erst in einem späteren Schritt soll untersucht werden, inwieweit Nutzerinnen und Nutzer bereit sind, für eine autonome Lieferung auch tatsächlich zu bezahlen.
Tobias Hesse, Kommissarischer Institutsdirektor Straßensystemtechnik, Institut für Verkehrssystemtechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.
IMoGer - Innovative Modulare Mobilität für Personennahverkehr und Paketlogistik
IMoGer vereint ÖPNV und KEP-Logistik in einem innovativen Mobilitätskonzept für die letzte Meile. Ziel ist ein automatisierter, digitalisierter Verkehr mit einem modularen Elektrofahrzeug im vernetzten Flottenverbund. Durch die doppelte Nutzung für Personen- und Gütertransport sollen Verkehrsbelastungen reduziert, Routen optimiert und bedarfsgerechte Angebote geschaffen werden.
Kern des Projekts ist das vom DLR entwickelte U-Shift-Fahrzeug mit austauschbaren Personen- und Güterkapseln. In Braunschweig soll eine Kleinflotte von neun fahrerlosen, barrierefreien Modulen im Stadtteil Schwarzer Berg erprobt werden. Die U-Shift Fahrzeuge werden mit den Dispositions- und Betriebsleitsystemen des öffentlichen Nahverkehrsunternehmens Braunschweiger Verkehrs-GmbH sowie des Logistikdienstleisters United Parcel Service vernetzt. So unterstützt die Kleinflotte flexible Mobilitätsdienstleistungen für Personen- und Güterverkehr gleichermaßen und nutzt dabei Synergien zwischen den beiden Verkehrsträgern.
Mit sechs Kapseln deckt die Kleinflotte typische Transportaufkommen ab und verfügt gleichzeitig über eine betriebliche Reserve. So lassen sich wichtige Fragen zu Interoperabilität, Skalierbarkeit und Übertragbarkeit des Systems umfassend klären. Die Sicherheit wird durch technische Aufsicht und intelligente Infrastruktur sichergestellt. Bürgerinnen, Bürger und weitere Stakeholder sind von Beginn an eingebunden.
Matthias Plehm, Senior Project Manager, Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr e.V. (SGKV)
Was der Transportplaner nicht kennt, das nutzt er nicht. Über die Wichtigkeit niederschwelliger Infoplattformen im Kombinierten Verkehr
Gerade im Kontext der Verkehrsverlagerung und Dekarbonisierung ist ein einfacher Zugang zu Informationen entscheidend – denn nur wer versteht, wie Kombinierter Verkehr funktioniert, kann ihn auch nutzen.
Nach einem Überblick über die Konzepte, die Vorteile und die Abläufe des Kombinierten Verkehrs stellte Matthias Plehm die Informationsplattform ESEP4Freight vor, die in Kürze veröffentlicht wird. Ziel der Plattform ist es, über offene und benutzerfreundliche Tools Zugang zum gesamten Angebot an Schienen- und multimodalen Diensten erhalten. Für beliebige Relationen zwischen den Terminals des Kombinierten Verkehrs in Europa können dabei reale Fahrzeiten sowie externalisierte ökologische und volkswirtschaftliche Kosten gegenübergestellt werden. Der Austausch im Anschluss hat gezeigt: Das Interesse an offenen, hochwertigen Informationen ist groß – und genau hier können digitale Tools echte Wirkung entfalten.
Derartige Plattformen bauen Hürden ab, fördern Wissenstransfer und unterstützen mehr Schiene in der Logistik – ein wichtiger Schritt für eine nachhaltige Transformation des Güterverkehrs.
Stefan Kracht, Senior Projectmanager, Kracht Aviation Consulting GmbH
AEM-Speedport - Automatisierung des Bodenverkehrs an Flughäfen am Beispiel des Flughafens Paderborn/Lippstadt
Im Projekt AEM Speedport wird ein automatisierter Pushback-Assistent entwickelt, der den Rollvorgang von Flugzeugen – vom Gate zur Startbahn – effizienter und nachhaltiger gestalten soll. Das System operiert innerhalb eines geschlossenen 5G-Campusnetzes, wodurch große Datenmengen sicher und in Echtzeit an einen definierten Nutzerkreis übermittelt werden können.
Hintergrund des Projekts sind Bestrebungen zur Steigerung der Effizienz und Reduzierung der Umweltbelastungen im Luftverkehr. Durch automatisierte Pushback-Manöver lassen sich erhebliche Mengen an Treibstoff einsparen, da der Triebwerkseinsatz auf dem Weg von der Parkposition zur Startbahn reduziert wird. Gleichzeitig erhöht sich die Planbarkeit und Strukturierung des Bodenverkehrs an Flughäfen.
Ein stillgelegter Bereich des Flughafens Paderborn-Lippstadt dient als Reallabor, in dem die automatisierten Manöver unter realitätsnahen Bedingungen getestet werden. Gesteuert wird das System dabei aus einem virtuellen Tower, der sich rund 200 Kilometer entfernt am Standort Braunschweig befindet.
Der Weg von der Parkposition bis zur Startbahn wird in vier klar definierten Manövern abgebildet, die Schritt für Schritt erprobt und weiterentwickelt werden. Ziel der Projektpartner ist es, das Gesamtsystem in den kommenden drei bis vier Jahren zur Anwendungsreife zu bringen.
Dr. Igor Bačkalov, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Schiffsarchitekt, DST — Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme e.V.
AUTOFLEX – Wege in einen klimafreundlichen, flexiblen und widerstandsfähigen Verkehr durch autonome Binnenfrachtschiffe für kleine Wasserstraßen
In seiner Präsentation zum Projekt AUTOFLEX stellte Dr.-Ing. Backalov die Bedeutung der Einführung kleiner, autonomer und emissionsfreier Binnenschiffe in den Mittelpunkt.
Die europäischen Binnenwasserstraßen sind nach ihrer Größe und Nutzbarkeit in Wasserstraßenklassen eingeteilt – von Klasse I für kleine Kanäle bis Klasse VII für Großwasserstraßen wie der Rhein. Diese Klassifizierung basiert auf Parametern wie Breite, Tiefe und Schleusengröße und bestimmt, welche Schiffstypen dort verkehren können. Entsprechend gibt es verschiedene Binnenschiffskategorien, von kleinen Schubleichtern und Selbstfahrern bis hin zu Großmotorgüterschiffen und Containerschiffen.
Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts AUTOFLEX wird die Nutzung kleiner, autonomer und emissionsfreier Binnenschiffe für untergenutzte Wasserstraßen erforscht. Ziel ist es, auch Wasserstraßen niedrigerer Klassen – etwa in urbanen Regionen – effizient für den Gütertransport zu erschließen. Die entwickelten Schiffe sollen flexibel und für flache Gewässer geeignet sein, um eine nachhaltige Verkehrsverlagerung von der Straße aufs Wasser zu ermöglichen.
Im Rahmen des Projekts hat das DST untersucht, wie sich kleine Binnenschiffstypen, welche vor der Containerisierung dimensioniert und entwickelt wurden für aktuelle und zukünftige Transportaufgaben weiterentwickelt werden können. So können weitere Regionen für die Binnenschifffahrt erschlossen werden. Im Projekt wurden unter anderem folgende Ansätze auf ihre Praxistauglichkeit getestet: die Umrüstung auf Containerschiffe, der Einsatz elektrischer Antriebe mit austauschbaren Akkus sowie die Einführung fernsteuerbarer Systeme.
Ein zentrales Ergebnis: Durch die standardisierte Beladung kann nicht nur der vorhandene Laderaum effizienter genutzt werden – sie ermöglicht auch automatisierte Ladeprozesse. Die Fernsteuerung wiederum schafft zusätzlichen Raum oder zulässiges Gewicht für Fracht und Batterien, da das Steuerhaus vom Schiff entfernt und landseitig betrieben werden kann.