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Die Stadt Wetzlar aus der Vogelperspektive bei klarem Wetter am Tag, man sieht Gebäude und Begrünung.
Ansicht von Wetzlar © AlexZange auf pixabay

mFUND Checkout im November - ErNeSt und VLUID

| Nadine Teusler, innocam.NRW

Das mPACT-Team lud am 19.11.2025 zur Onlineveranstaltung „mFUND Checkout“ ein. Die mFUND Checkout-Veranstaltung stellt monatlich unterschiedliche abgeschlossene Projekte in Impact-Pitches vor. Zusätzlich bieten Breakout-Sessions vertiefte Einblicke in Ergebnisse und Verwertungsperspektiven.

Im November 2025 standen die Projekte „ErNeSt – Automatisierte Erfassung neuer Straßenschäden“ und „VLUID – Verkehrslösungen für komplexe Umbauszenarien auf der Grundlage intelligenter Datenauswertung“ im Fokus.

Man sieht eine Landstraße mit Begrünung an der Seite, die starke Schäden im Asphalt aufweist.
Eine kaputte Straße © Kasmann auf pixabay

ErNeSt – Automatisierte Erfassung neuer Straßenschäden

Der Forschungsverbund „ErNeSt – Automatisierte Erfassung neuer Straßenschäden“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Überwachung des Straßenzustands effizienter, präziser und kostengünstiger zu gestalten. Denn der Zustand von Fahrbahnoberflächen beeinflusst nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern auch den Fahrkomfort sowie den Fahrzeugverschleiß. Insbesondere neu auftretende Schäden wie Schlaglöcher oder Spurrillen verursachen hohe Instandhaltungskosten – umso wertvoller ist eine frühzeitige Erkennung. Aus diesem Grund entwickelt das Institut für Fahrerassistenz und vernetzte Mobilität (IFM) der Hochschule Kempten gemeinsam mit der monalysis GmbH ein innovatives Verfahren, das verschiedenste Sensordaten kombiniert, um Straßenschäden automatisiert zu erfassen. ErNeSt wird über das mFUND gefördert, eine Innovationsinitiative des Bundesministeriums für Verkehr (BMV) mit einer Laufzeit vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2025.

Technologisches Konzept

Technisch basiert ErNeSt auf einem multimodalen Messsystem: Aus Beschleunigungsdaten, welche in einem Linienbus erfasst werden, lassen sich erste Hinweise auf problematische Fahrbahnabschnitte gewinnen. Diese Idee greift das Projekt aus einem früheren Vorhaben namens „ERST“ wieder auf. Sobald aus den Bewegungsmustern potenzielle Defekte erkannt werden, wird mittels Bilderkennung der exakte Schadenstyp – beispielsweise Schlagloch oder Riss – bestimmt. Um eine belastbare Verifikation dieser Klassifizierung zu erreichen, werden zusätzlich 3D-Daten herangezogen: In einem zusätzlichen Pkw-Versuchsfahrzeug besitzt das Messsystem neben Beschleunigungssensoren und Kameras ein LiDAR-System, mit dem die Oberfläche dreidimensional erfasst wird. Alle gewonnenen Messwerte – Beschleunigungen, Bilder, LiDAR-Punktewolken – werden unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben in umfangreichen Testfahrten gesammelt, übertragen und zentral analysiert.

Für die Auswertung wird moderne KI eingesetzt: Machine-Learning-Algorithmen werten die Bilder aus, um verschiedene Schadensarten zu unterscheiden und effiziente Algorithmen verarbeiten Beschleunigungs- und 3D-Daten, um eine zuverlässige Zustandsbewertung zu ermöglichen. Der so ermittelte Straßenzustand wird anschließend in Form digitaler Karten visualisiert und über ein anwenderfreundliches Ausgabetool bereitgestellt, mit dem insbesondere Kommunen und Städte reparaturbedürftige Abschnitte schnell identifizieren können. Parallel zu diesem technischen System erarbeitet das Projekt auch ein Geschäftsmodell, das zeigen soll, wie Kommunen dauerhaft, einfach und bezahlbar ihre Straßenzustände überwachen können.

Projektpartner

Das Projekt ErNeSt wird von der Hochschule Kempten geleitet, mit Prof. Dr. Ulrich Göhner als wissenschaftlichem Leiter. Partner im Kernkonsortium ist die monalysis GmbH in Kempten, die insbesondere für die Datenanalyse und KI-Komponenten zuständig ist. Als assoziierte Partner sind unter anderem die Haslach Bus GmbH beteiligt, die in Kempten auch Linienverkehre betreibt und ihre Busse für den Einbau der Messeinrichtungen zur Verfügung stellt, sowie die Stadt Kempten und das Landratsamt Oberallgäu, die als Anwenderpartner mitwirken, um die Ergebnisse auf kommunaler Ebene nutzbar zu machen. Darüber hinaus stehen Vertreter von Tiefbauämtern, der Bundesanstalt für Straßenwesen und weiteren Forschungseinrichtungen in engem Austausch. 

Lessons Learned

Im Projekt wurde deutlich, dass die Inbetriebnahme von LIDAR-Systemen sehr zeitintensiv ist und stark auf äußere Einflüsse wie Wetterbedingungen und Fahrdynamik reagiert. Die Integration verschiedener Fahrzeugsensoren – etwa CAN, GPS und IMU – erwies sich als komplex und nur begrenzt skalierbar. Zudem führten die sehr großen Datenmengen zu erheblichem Aufwand bei Verarbeitung und Handling. Eine weitere Herausforderung bestand darin, dass es bislang keine einheitlichen kommunalen Standards gibt, sodass sich die Anforderungen an die notwendige Datentiefe stark unterscheiden und von grob strukturiert bis hochpräzise reichen.

Gleichzeitig konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. So liefert die Kamera zuverlässige und stabile Daten, selbst ohne zusätzliche Beleuchtung. Durch Datenfusion lassen sich Redundanzen reduzieren und konsistente Ergebnisse erzielen. Die eingesetzte KI arbeitet grundsätzlich zuverlässig, erfordert jedoch getrennte Modelle für die Erkennung von Fahrbahnmerkmalen und Schäden. Abschließend zeigte sich, dass standardisierte Datenformate Kommunen und Projektpartnern erheblich bei der Nutzung und Weiterverarbeitung der Daten helfen würden.

Ausblick und nächste Schritte

Die Verwertung der Projektergebnisse bietet einen deutlichen Mehrwert für verschiedene Zielgruppen. Für Kommunen entstehen neue Grundlagen für die Entwicklung kommunaler Standards. Zudem erhalten sie aktuellere und objektivere Straßendaten, die eine stärker datenbasierte Erhaltungsplanung ermöglichen.

Auch die Forschung profitiert unmittelbar von neuen Datensätzen, die insbesondere für KI-Methoden, Datenfusion und Registrierungsverfahren relevant sind. Darüber hinaus ergeben sich neue Erkenntnisse für die Weiterentwicklung erklärbarer KI (XAI).

In Ergänzung dazu ermöglichen digitale Zwillinge die Übertragung der im Projekt gewonnenen Ansätze auf weitere thematisch verwandte Bereiche.

Ein weiterer zentraler Bestandteil der Verwertung ist die Bereitstellung der Daten über Daten.Plus und den ZEB-Server (ZEB - Zustandserfassung und -bewertung). Über Daten.Plus werden die fusionierten Straßendaten als OpenCRG-ähnlicher digitaler Zwilling (OpenCRG-Strukturen beschreiben Straßenoberflächen im Format Curved Regular Grid (CRG)) verfügbar gemacht, sodass sie frei für Forschungszwecke und kommunale Anwendungen genutzt werden können. Zusätzlich werden die ErNeSt-Daten in das mFUND-Ökosystem – beispielsweise in die Mobilithek – integriert, um deren Weiterverarbeitung, Visualisierung und Analyse zu ermöglichen.

Der ZEB-Server bietet die ErNeSt-Daten darüber hinaus in ZEB-kompatiblen Formaten an, etwa zur Georeferenzierung, zur Definition von Bewertungsabschnitten oder zur Beschreibung von Substanzmerkmalen nach AP9 (noch nicht veröffentlichte, aber in Arbeit befindliche Arbeitspapiere zur Systematik der Straßenerhaltung für Kommunen). Die Daten können in bestehende ZEB-Infrastrukturen eingespielt werden, sodass vorhandene Auswerte- und Visualisierungstools genutzt werden können. Gleichzeitig schaffen sie eine wichtige Grundlage für die zukünftige Standardisierung der kommunalen Datenerfassung.

VLUID – Verkehrslösungen für komplexe Umbauszenarien auf der Grundlage intelligenter Datenauswertung“

Das Forschungsprojekt VLUID verfolgte das Ziel, komplexe städtische Umbau- und Baustellensituationen durch ein datengetriebenes, KI-gestütztes Verkehrsmanagement effizienter zu steuern. Im Zentrum stand die Entwicklung eines integrierten digitalen Ökosystems, das Verkehrs-, Umwelt-, ÖPNV- und Infrastrukturdaten aus unterschiedlichen Quellen in Echtzeit auswertet und daraus adaptive Steuerungsimpulse ableitet. Besonders im Großumbauumfeld der B 49-Hochstraße in Wetzlar sollten so belastbare Prognosen, Interventionen und Informationsdienste entstehen, die klassische statische Planungsprozesse ergänzen und ersetzen können.

Technologisches Konzept

Technisch stützte sich VLUID auf die Einrichtung eines urbanen Datenraums, der verschiedenste Sensordatentypen zusammenführt. Dazu zählten unter anderem Floating-Car-Data aus dem motorisierten Individualverkehr, Schleifen- und Kameradaten aus Lichtsignalanlagen, Fahrplandaten und Echtzeit-Betriebsdaten des ÖPNV, Parkhausbelegungsdaten, Baustellenmeldungen sowie Umweltdaten. Eine wesentliche Komponente war der Aufbau zusätzlich installierter Messstellen im Straßennetz, die Fahrzeugkategorien, Geschwindigkeit und Verkehrsaufkommen kontinuierlich erfassen. Diese heterogenen Datenquellen wurden in einer einheitlichen, interoperablen Plattform konsolidiert, die durch standardisierte Schnittstellen und Zugriffsrechte den sicheren Austausch im Partnernetzwerk erlaubte.

Auf der Grundlage dieser Datenbasis wurden KI-gestützte Modelle entwickelt, die Verkehrsflusszustände analysieren, Stauentstehung prognostizieren und Abweichungen vom Normalbetrieb erkennen. Diese Modelle lieferten den Kern des prädiktiven Verkehrsmanagements: Sie ermöglichten es, für verschiedene Umbauphasen unterschiedliche Szenarien zu simulieren und die Wirkung geplanter Eingriffe auf den Verkehrsfluss zu bewerten. Die Ergebnisse flossen in ein Maßnahmenportfolio ein, das unter anderem die adaptive Steuerung von Lichtsignalanlagen, dynamische Umleitungsempfehlungen, Eingriffe in die ÖPNV-Disposition oder die Optimierung der Parkraumlenkung umfasst. Die Maßnahmen konnten anschließend prototypisch im laufenden Betrieb getestet und evaluiert werden.

Parallel wurde ein bürgerorientiertes Verkehrscockpit entwickelt, das die technische Infrastruktur nach außen sichtbar machte. Es visualisiert in Echtzeit Verkehrsfluss, Störungen, Baustellen, Parkhauskapazitäten und ÖPNV-Daten. Damit entstand ein integriertes Informationssystem, das sowohl Planungsbehörden als auch Verkehrsteilnehmende in die Lage versetzt, informierte Entscheidungen zu treffen. Der zugrunde liegende technische Kern – von der Datenaggregationsplattform bis zu den Analytikmodulen – ist so konzipiert, dass er skalierbar ist und auf weitere Kommunen übertragen werden kann.

Projektpartner

Zu den Projektpartnern zählten die Stadt Wetzlar als Konsortialführer, Hessen Mobil, die Wetzlarer Verkehrsbetriebe, das Urban Software Institute (ui!) für die Datenraum- und Plattformtechnologien sowie die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) für wissenschaftliche Modellierung und Evaluierung. Das Projekt wurde durch den mFUND des Bundesministeriums für Verkehr (BMV) finanziert und lief von Oktober 2021 bis zum September 2024 (mit einer Verlängerung bis März 2025).

Ausblick und nächste Schritte

Die Bedeutung von VLUID liegt sowohl in der praktischen Anwendung als auch im übertragbaren Modellcharakter: Mit dem intelligenten, datengetriebenen Verkehrsmanagement in Wetzlar entstand ein Prototyp, der nicht nur hilft, die Belastungen durch Großbaustellen zu mildern, sondern auch anderen Städten und Regionen als Blaupause dienen kann. Besonders in komplexen Umbauszenarien, in denen traditionelle Verkehrssteuerung an ihre Grenzen stößt, bietet VLUID einen zukunftsweisenden Ansatz zur Verbesserung von Mobilität, Lebensqualität und Planbarkeit.

Nach dem Projektabschluss von VLUID wird ein erheblicher Teil der im Projekt entwickelten Instrumente und Datenplattformen dauerhaft weiterbetrieben und ausgeweitet. So wird das oben erwähnte bürgerorientierte Verkehrscockpit weiterhin bestehen bleiben. Parallel dazu wurde zur Verstetigung der gewonnenen Erkenntnisse ein Leitfaden veröffentlicht, der sämtliche Methoden, Werkzeuge und Handlungsempfehlungen aus VLUID zusammenführt, um anderen Kommunen, die vor ähnlichen Großbaustellen stehen, als Musterlösung zu dienen. 

Rahmeninformationen zum mFund

Der mFUND des Bundesministeriums für Verkehr fördert Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu digitalen, datenbasierten Mobilitätsanwendungen. Zusätzlich wird die Vernetzung durch Veranstaltungen und Zugang zu den Mobilitäts-Datenportalen Mobilithek und Mobility Data Space unterstützt. Die Begleitforschung mPACT analysiert und dokumentiert Ergebnisse und liefert Impulse für Wissenschaft, Fachwelt und Politik. Seit Dezember 2023 betreut ein Konsortium aus iit (VDI/VDE-IT) und TÜV Rheinland die Forschungsbegleitung. Weitere Informationen gibt es bei daten.plus.

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Porträt von Dr. Nadine Teusler, Netzwerkmanagerin, mit Brille und schwarzem Blazer, freundlich lächelnd vor verschwommenem Hintergrund.

Dr. Nadine Teusler

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