Das scenario.center des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University ist eine Datenbank zur automatisierten Verarbeitung und Bereitstellung von Fahrszenarien zur Entwicklung und Absicherung von automatisierten Fahrfunktionen. Entwickelt mit Methoden aus dem Forschungsprojekt V&V Methoden kann die Datenbank Verkehrsdaten zu Szenarien verarbeiten, speichern und neue Szenarien generieren. Mithilfe dieser Szenarien können automatisierte Fahrfunktionen effizient simulativ getestet werden.
Die Technologie des automatisierten Fahrens verspricht, den Verkehr auf der Straße grundlegend zu verändern. Dazu wird intensiv an Fahrzeugen gearbeitet, die Fahrenden mehr und mehr Aufgaben bei der Fahrzeugführung abnehmen und die Verantwortung für deren Steuerung übernehmen. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist dabei: Wie kann man gewährleisten, dass diese Fahrzeuge sicher sind?
Klassische Methoden zur Absicherung wie Pilotprojekte im Realverkehr sind dabei aufgrund der Komplexität der Fahraufgabe nur schwierig nutzbar, um ausschließlich darüber die Sicherheit zu garantieren. So müssten für eine hinreichende Abdeckung teils mehrere Milliarden Kilometer gefahren werden, ein fast unmöglich zu erreichender Wert [1]. Stattdessen wird vermehrt auf das Szenario-basierte Testen gesetzt, welches eine festgelegte Fahrfunktion systematisch mit definierten Szenarien überprüft. Um den Verkehr dabei hinreichend abzubilden, benötigt man allerdings eine Vielzahl unterschiedlicher Szenarien. Zur Verarbeitung und Bereitstellung dieser Szenarien wurde vom Institut für Kraftfahrzeuge im letzten Jahr das „scenario.center“ entwickelt [2].
Was ist ein Szenario?
Ein Szenario ist eine Sequenz von einzelnen Szenen (Definition: ISO34501). Folgend wird ein Szenario als zumeist kurze Sequenz einiger Sekunden verstanden, indem sich ein oder mehrere Fahrzeuge bewegen. Szenarien werden genutzt, um den Verkehr zu analysieren oder eine Fahrfunktion in bestimmten Situationen zu bewerten. Ein Szenario ist dabei unabhängig von der eigentlichen Fahrfunktion.
Das Szenario-basierte Testen
Die zentrale Herausforderung beim Szenario-basierten Testen automatisierter Fahrzeuge liegt in der Definition, Erstellung und Auswahl geeigneter Testszenarien. Der ausgewählte Satz an Szenarien soll hinreichend relevante Situationen abbilden, denen die darin getestete Fahrfunktion in der realen Welt (definiert durch die Operational Design Domain - ODD) begegnen kann.
Um diesen Prozess der Definition von Szenarien effizient zu gestalten, empfiehlt sich die Nutzung von Szenarien-Konzepten. Das "Holistic Driving Scenario Concept for Urban Traffic" des scenario.center stellt ein solches Szenarien-Konzept dar [3]. Es beschreibt das Verkehrsgeschehen durch die Komposition von Basis-Szenarien, die das Verhalten eines fokussierten Ego-Fahrzeugs und die Interaktion mit weiteren Verkehrsteilnehmern modellieren. Die Beschreibung wird demnach relativ aus Sicht eines Verkehrsteilnehmenden gemacht. Diese Szenarien werden systematisch aus der Kombination von Verkehrscharakteristiken (z. B. Manöver an Kreuzungen, Folgefahren) und mithilfe von Ontologien abgeleitet.
Als Teil der Szenarien müssen auch deren Parameter bestimmt werden. Unter Szenarien-Parametern versteht man Variablen, die beschreiben, wie genau ein bestimmtes Szenario ablaufen soll oder abgelaufen ist (z. B. die Parameter Kurvenradius und initiale Geschwindigkeit beim Szenario Linksabbiegen). Für die Absicherung einer Fahrfunktion ist es notwendig, die Verteilung der Parameter-Werte in der realen Welt zu bestimmen. Dies ist unter anderem für die Bestimmung der Auftretenswahrscheinlichkeit zur Risikobestimmung nützlich. In einer Risikobilanz haben häufig auftretende Szenarien so ein höheres Gewicht als seltene.
Von Daten zu Szenarien
Zur realitätsnahen Schätzung der Parameterverteilung der Szenarien ist eine große Menge an Verkehrsdaten notwendig, die automatisiert verarbeitet werden müssen. Dazu wurde das OMEGA-Format am ika definiert, welches Trajektorien- und Karten-Informationen in einem Format zusammenfasst und so eine automatisierte Detektion von Szenarien in Verkehrsdaten ermöglicht. Für jedes detektierte Szenario werden dessen konkrete Parameter berechnet und in der Szenarien-Datenbank abgelegt. Vollzieht man diesen Prozess für eine große Menge an Daten, so können Parameter Verteilung geschätzt und mit diesen logischen Szenarien (-Instanzen) definiert werden.