Aus unserem BLOG • Von Justyna Sedkowska, innocam.NRW • März 2024
Akzeptanz – Eine wesentliche Grundlage für einen erfolgreichen automatisierten ÖPNV
Autonome Fahrzeuge und automatisierte Mobilität sind seit geraumer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen und Medienberichterstattung. In einer Umfrage von 2017 äußerten 77,6 % der Teilnehmer:innen die Bereitschaft, in Zukunft regelmäßig autonome öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen (Pakusch & Bossauer, 2017). Eine weitere Studie von 2020 zeigte, dass laut einer repräsentativen Befragung 49% der Bundesbürger:innen glauben, dass selbstfahrende Fahrzeuge in Zukunft zum städtischen Alltag gehören werden (Halil et al., 2020). Einige vollautomatisierte Fahrzeuge und Transportsysteme, wie beispielsweise die U-Bahn in Nürnberg oder der SkyTrain am Flughafen Düsseldorf bzw. die H-Bahn am Campus der TU Dortmund, sind bereits seit Jahren im täglichen Einsatz.
Die Automatisierung der Mobilität bringt neue Entwicklungschancen für Gemeinden, um echten Mehrwert für die Bürger:innen zu schaffen. In ihrer Studie betonen Pakusch und Bossauer (2017), dass die Einführung von Automatisierung im Transportwesen zu einer Reduzierung von Fehlern und Unfällen, einer höheren Verfügbarkeit und Pünktlichkeit führen wird. Darüber hinaus prognostizieren sie, dass die Kosten für die Personenbeförderung langfristig sinken dürften, was zu einem attraktiven Angebot führen könnte. Des Weiteren wird die Automatisierung als Möglichkeit betrachtet, die Mobilität von Menschen mit Behinderungen zu verbessern (Hwang et al., 2020).
Autonomer Transport bedarf der Zustimmung der Gesellschaft, um erfolgreich zu sein. Die Akzeptanz einer Technologie ist die Grundvoraussetzung für ihre erfolgreiche Verbreitung und Wirtschaftlichkeit (Portouli et al., 2017). Trotzdem bestehen viele Ängste und Bedenken im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen. Um einen benutzerfreundlichen autonomen öffentlichen Verkehr und letztendlich Akzeptanz zu erreichen, müssen diese gründlich erforscht und angegangen werden.
Was bedeutet Akzeptanz?
Die Benutzerakzeptanz kann definiert werden als die Bereitschaft einer Benutzergruppe, eine Technologie für die Aufgaben zu verwenden, für die sie entwickelt wurde (Dillon & Morris, 1996). Anders ausgedrückt prognostiziert die Akzeptanz, wie wahrscheinlich es ist, dass die Nutzer:innen eine Technologie übernehmen. Der Begriff Akzeptanz (engl. acceptance) wird häufig synonym mit Akzeptabilität (engl. acceptability) verwendet. Jedoch muss man die Unterschiede zwischen den beiden Begriffen beachten. Wie Bala et al. (2023) betonen, bezieht sich Akzeptabilität auf „die zukünftige Beurteilung einer Technologie oder Dienstleistung, die den Benutzern noch nicht bekannt ist“ (S.976). Nach denselben Autoren:innen kann Akzeptanz nur nach der Exposition oder Nutzung gemessen werden.
Es gibt verschiedene Modelle, um die Akzeptanz neuer Technologie zu messen. Zu den häufigsten gehören Technology Acceptance Model (TAM)(Davis, Bagozzi & Warshaw, 1989), TAM 2 (Venkatesh & Davis, 2000), sowie Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT)(Venkatesh et al., 2003) und UTAUT2 (Venkatesh, Thong & Xu, 2012). Jedes dieser Modelle berücksichtigt verschiedene Faktoren, die die Akzeptanz oder Akzeptabilität durch die Nutzerinnen und Nutzer erklären. Die vorgenannten Modelle sind allgemein gefasst, im Kontext von Mobilität haben Forscherinnen und Forscher verstärkt spezialisierte Modelle entwickelt, darunter das Car Technology Acceptance Model (CTAM), das Determinanten wie Sicherheit und Angst in das bestehende TAM integrierte (Osswald et al., 2012). Hewitt (2019) schlug ebenfalls ein Akzeptanzmodell vor, das speziell auf den Kontext autonomer Fahrzeuge zugeschnitten ist. Sein Autonomous Vehicle Acceptance Model (AVAM) versuchte, die Bewertung von autonomen Fahrzeugen zu standardisieren. In einer neueren Studie wurde ein erweitertes UTAUT 2-Modell verwendet, um die Akzeptabilität eines neuen autonomen öffentlichen Verkehrskonzepts zu messen (Rejali et al., 2024). Die Autoren stellten fest, dass Faktoren wie die Erwartung an die Leistung, Vertrauen, sozialer Einfluss oder hedonische Motivationen einen Einfluss auf die Akzeptabilität hatten.
Warum ist Akzeptanz wichtig?
Die Akzeptanz neuer Technologien ist entscheidend für ihre erfolgreiche Umsetzung und breite Anwendung (Taherdoost, 2019). Daher sind die Faktoren, die Benutzer:innen dazu veranlassen, eine neue Technologie zu akzeptieren oder abzulehnen, von großem Interesse.
Sie helfen nicht nur, die Meinung der Benutzer:innen zu automatisierten Fahrzeugen zu verstehen, sondern auch zu begreifen, warum sie bereit sind, diese autonomen Fahrzeuge zu nutzen (Nordoff, 2020).
Es ist für einen erfolgreichen Mobilitätswandel wichtig, die Bedürfnisse, aber auch Ängste der Menschen zu kennen (Abendroth et al., 2023). Produktentwicklungen, die die menschliche Perspektive nicht berücksichtigen, führen häufig dazu, dass Technologien abgelehnt werden, da sie nicht den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer:innen entsprechen (Detjen et al., 2022). Ohne die Einbeziehung der menschlichen Sichtweise ist eine höhere Akzeptanz bei den Nutzer:innen nicht möglich (Geisler, 2021). Nordoff (2020) unterstützt ebenfalls diese Ansicht, indem betont wird, dass die Akzeptanz autonomer Fahrzeuge nicht nur von den Passagieren, sondern auch von anderen Verkehrsteilnehmern abhängt. Abendroth et al. (2023) betonten ebenfalls die Bedeutung der Verkehrssicherheit für andere Verkehrsteilnehmer als einen Schlüsselfaktor für die Akzeptanz des automatisierten öffentlichen Verkehrs.
Pakusch (2017) betont die Rolle der Benutzerakzeptanz für die erfolgreiche Entwicklung autonomer öffentlicher Verkehrsmittel. Im Falle automatisierter öffentlicher Verkehrsmittel ist es noch wichtiger, auf die Stimme der Nutzer:innen zu hören, da öffentliche Verkehrsmittel viele Risiken bergen und vielfältigen Gemeinschaften dienen sollen. Darüber hinaus spielen zuverlässige, sichere und effiziente öffentliche Verkehrsmittel eine entscheidende Rolle in den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Obwohl der Mobilitätswandel viele Vorteile verspricht, ist die Akzeptanz der Technologie noch unklar. Eine solche Haltung gegenüber autonomen öffentlichen Verkehrsmitteln könnte zu dessen Scheitern führen.
Um auf die wachsenden Herausforderungen zu reagieren und einen erfolgreichen Wandel in der Mobilität zu gewährleisten, wurden in den letzten Jahren zahlreiche Forschungsinitiativen im Bereich autonomer Mobilität durchgeführt. Dazu gehörte das europäische Projekt CityMobil2, das darauf abzielte, autonome Fahrzeuge in sieben europäischen Städten zu demonstrieren. Studien, die während des Projekts durchgeführt wurden, zeigten, dass die Bürger eine eher positive Einstellung zur Nutzung von Automatisierung im Verkehr zeigten (Madigan et al., 2016; Piao et al., 2016; Madigan et al., 2017; Papadima et al., 2020). Weitere Initiativen wie die Testfahrt eines vollautomatischen Volvo-Busses (Johansson et al., 2023) zeigten ebenfalls vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Nutzerakzeptanz.
Solche Projekte finden auch in Deutschland statt, zum Beispiel der Test des autonomen Minibusses EMMA in Mainz (Bernhard et al., 2020) oder das Projekt „Shuttles&Co“, das in den Jahren 2021 und 2022 in Berlin-Tegel einen hochautomatisierten Shuttle getestet hat (Linke-Wittich et al., 2023). Die Ergebnisse aus dem Berliner Projekt zeigten, dass die anfänglich positive Reaktion auf den Shuttle sich nicht in der Anzahl der Langzeitnutzenden widerspiegelte. Die Autoren:innen der Studie erklärten das Phänomen damit, dass die Testfahrt von den Menschen nicht als ernsthaft genug betrachtet wurde, um sie in ihre Mobilitätsgewohnheiten zu integrieren.
Schlussfolgerungen
Automatisierter ÖPNV bietet viele Chancen, setzt aber die Akzeptanz in der Gesellschaft voraus. Die Forschung hat eine Reihe von Faktoren identifiziert, die die Akzeptanz beeinflussen, dennoch existiert zum jetzigen Zeitpunkt kein allgemeingültiges Erfolgsrezept. Bei der Einführung von automatisierter Mobilität auf einzelnen Linien empfiehlt es sich daher, die Zielgruppe systematisch zu betrachten und mit einzubeziehen. Die existierenden Akzeptanzmodelle liefern dabei wertvolle Hinweise der zu betrachtenden Einflussfaktoren. Nicht vergessen werden darf dabei die Vielfalt der Bevölkerung und deren unterschiedliche Bedürfnisse für Akzeptanz und Wohlbefinden im Umgang mit fahrerlosen Bussen und Bahnen. Konzeptionelle Fragen und technische Ausgestaltung sollten idealerweise partizipativ erfolgen und durch Informationskampagnen ergänzt werden.
Akzeptanz ist nun stärker im Fokus bei innocam.NRW. Sprechen Sie uns gerne bei Fragen und aktuellen Themenstellungen an. Sie erreichen uns per Mail unter info@innocam.nrw oder telefonisch unter 0208 88 254 5136.
Referenzen
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