Aus unserem BLOG • Von Ann-Christin Wimber, Clean Autonomous Public Transport Network (CAPTN) • Oktober 2022

Autonomer und nachhaltiger Personennahverkehr – auch auf dem Meer

Die CAPTN Initiative aus Kiel will die Mobilitätskette neu denken. In Zukunft sollen alle Verkehrsträger sauber und autonom und damit sicher und attraktiv unterwegs sein. Dafür lässt die CAPTN Initiative einen Katamaran bauen, auf dem das autonome Fahren erforscht wird.

Das Flaggschiff der CAPTN Initiative ist ein 21 Meter langer und acht Meter breiter Katamaran namens „MS Wavelab“. Das Schiff dient als Forschungsplattform, als Träger für Sensoren und Kamerasysteme, die Rümpfe sind begehbare Labore und beheimaten zahlreiche Schaltkästen und Serverschränke. Auf dem Deck befindet sich das Führerhaus sowie Verankerungselemente für weiteres Equipment.

Die CAPTN Initiative hat das Ziel, eine umweltfreundliche Mobilitätskette für einen autonomen öffentlichen Nahverkehr zu entwickeln, umzusetzen und weltweit zu vermarkten. Dabei soll die Mobilitätskette alle Verkehrsträger umfassen – also Bus, Zug, möglicherweise Tram oder Fahrräder und Roller sowie Fähren. CAPTN steht für: clean, autonomous, public transport network – also ein sauberer, autonomer Verbund für den öffentlichen Nahverkehr.

CAPTN Vaiaro – Entwurf: Floating Platform
© Vincent Steinhart-Besser, Simeon Ortmüller / Muthesius Kunsthochschule

Als Kind der Kieler Förde entwickelt die CAPTN Initiative naheliegenderweise in einem ersten Schritt eine Personenfähre, die eigenständig zwischen dem Ost- und Westufer der Kieler Förde pendeln soll. Die Idee dazu kam bereits 2018 auf. Erste Konzepte und Kooperationen hinsichtlich einer autonomen Personenfähre wurden von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) finanziell gestützt.

Ein Jahr später nahm die Idee Fahrt auf, also Master-Studenten der Muthesius Kunsthochschule die Visualisierung einer möglichen Fördefähre veröffentlichten. Das Design-Konzept überzeugte; bis heute ist das Design-Konzept der „MS Vaiaro“ untrennbar mit dem Begriff CAPTN-Fähre verbunden.

Erste Schritte: CAPTN Förde Areal baut ein Schiff

Inzwischen ist die Initiative gewachsen und besteht aus zahlreichen Einzelprojekten. Hierbei arbeiten Wissenschaft und Wirtschaft eng verzahnt miteinander und bilden ein Netzwerk an Gleichgesinnten. Als Erstes ging CAPTN Förde Areal an den Start. Im März 2021 bewilligt das Bundesverkehrsminister die Förderung zum Aufbau eines digitalen Testfeldes und zum Bau eines Versuchsträgers. Die „MS Wavelab“ – so der Name des 21 Meter langen und acht Meter breiten Katamarans – wird noch bis Anfang 2023 in der Kieler Gebrüder Friedrich Werft gebaut.

Maritimer Versuchsträger für Personenfähren

Das Forschungsschiff zeichnet aus, dass es mit seinem Elektromotor emissionsfrei unterwegs ist. Für den (teil-)autonomen Betrieb wird es mit umfassender Sensorik ausgestattet. Versuchsräume befinden sich in den gut drei Meter hohen Rümpfen. Zudem besteht die Möglichkeit, Container auf dem Deck zu installieren. Zum Konzept gehört ein auch integriertes Brückensystem an Bord und an Land sowie ein digitaler Zwilling des Schiffs im Rechenzentrum an Land. Die Steuerung und Überwachung des Versuchsträgers erfolgt in Echtzeit über das Kontrollzentrum an Land.

Als Versuchsfeld wurde ein abgeschirmter Hafen der Marine am Kieler Ostufer auserkoren. CAPTN Förde Areal wird ein Teil der digitalen Infrastruktur liefern, nämlich das sichere Wifi 6.

Datensichere und stabile Infrastruktur: CAPTN Förde 5G erweitert das Spektrum

Für einen optimalen Datenaustausch in Echtzeit zwischen Schiff und Kontrollzentrum gehören eine stabile IT-Infrastruktur und ein verlässliches Mobilfunknetz. Letzteres wird im Projekt CAPTN Förde 5G erarbeitet. Es nahm seine Arbeit Ende 2021 auf und wird ebenfalls vom Bundesverkehrsministerium gefördert. Wie der Name schon sagt, geht es bei diesem Projekt um den flächendeckenden Ausbau der Kieler Innenförde mit dem Mobilfunkstandard 5G. Dabei werden die einzelnen Arbeitsgruppen oder Teilprojekte vom Mobilfunkanbieter Vodafone unterstützt. Da ein zuverlässiges und stabiles Mobilfunknetz nicht nur für den Betrieb einer autonomen Fähre relevant ist, finden sich in Förde 5G viele transdisziplinäre Teilprojekte. Sie nutzen dieses CAPTN Projekt, um unter anderem den Nutzen für die Kieler Hafenwirtschaft und den Segelsport zu untersuchen.

Schritte in Richtung Energieversorgung und KI

Teil der CAPTN-Vision ist Nachhaltigkeit. Sauber soll die autonome, öffentlich nutzbare Mobilitätskette sein. Erst kürzlich – im Oktober 2022 – gelang der Initiative mit der Förderung von CAPTN Energy ein erster Schritt in diese Richtung. Dieses Projekt ist im Rahmen der Förderlinie „WIR! Wandel durch Innovation in der Region“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) entstanden, das Fördermittel von bis zu 15 Millionen Euro in Aussicht stellt. CAPTN Energy ist mit rund 50 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft die größte Einheit der Initiative. Ziel ist die Umwandlung und Speicherung, den Transport und die Nutzung von erneuerbaren Energien für maritime Anwendungen im Raum der Kieler Förde und des Nord-Ostsee-Kanals zu etablieren.

Ebenfalls im Oktober erhielt die CAPTN Initiative die Förderung für den Einsatz von Künstlichen Intelligenz (KI), die auf dem „MS Wavelab“ und im Testfeld auf der Kieler Förde erforscht und umgesetzt werden sollen (CAPTN KI). Schließlich erfordert das Fahren auf dem Wasser noch mehr als bei autonomen Landverkehren Umfeldanalysen sowie die damit verbundene Aufnahme und Auswertung riesiger Datenmengen.

Beide Projekte stecken aktuell noch in den Anfängen. Ebenso wie weitere Kooperationen und die Entwicklung neuer Teilprojekte. So gibt es erste Bestrebungen weiterer Verkehrsträger in die CAPTN Initiative zu integrieren, um der Vision einer umfassenden Mobilitätskette näher zu kommen, die mit dem Bau einer (teil-)autonomen Fördefähre begann.

Vielversprechende Anknüpfungspunkte für intensivierte überregionale Zusammenarbeit zwischen CAPTN und innocam.NRW

Im Herbst 2022 vereinbarten die Initiative CAPTN aus Schleswig-Holstein und das Kompetenznetzwerk für automatisierte und vernetzte Mobilität innocam.NRW, ihre Zusammenarbeit zu vertiefen, arbeiten doch beide Organisationen intensiv daran, mit ihren Akteuren die Verkehrswende voranzutreiben und nachhaltige, automatisierte Mobilitätsketten zu entwickeln.

Dr. Wiebke Müller-Lupp, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Wissenschaftszentrum Kiel GmbH: „Zwar liegt der Fokus der CAPTN Initiative zurzeit auf unserem Forschungsträger und dem daraus resultierenden Fährschiff, wir forschen aber auch im Bereich der Schiene und sauberer Antriebsstoffe.“ So könnte die Kooperation dazu beitragen, Innovationen voranzutreiben und auch überregionale Projekte für die Mobilität der Zukunft in Position zu bringen.

Auch Marcel Sonntag, innocam.NRW-Projektkoordinator zeigt sich sehr zufrieden mit dem erarbeiteten Memorandum of Understanding: „Insbesondere gemeinsame Projektansätze bieten hier die Möglichkeit, zum Beispiel automatisierte und vernetzte Verkehrsträger auf der Straße und dem Wasser enger zu verknüpfen. Dazu ist ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch unerlässlich“.