Foto: © 15. Deutscher Nahverkehrstag / Fotografie: Fabian Burgard

Aus unserem BLOG • Von Julien Rombourg, innocam.NRW • Juni 2024

Der 15. Deutsche Nahverkehrstag: Die Rolle der automatisierten und vernetzten Mobilität für den Öffentlichen Personennahverkehr

Für die Zukunft der Mobilität setzen die Branchenvertreter auf autonome Fahrzeuge und On-Demand-Verkehre im ÖPNV. Bisherige Projektergebnisse betonen jedoch die Notwendigkeit weiterer Tests und akzeptanzsteigernder Maßnahmen.

Dieses Jahr fand vom 16.-18. April der 15. Deutsche Nahverkehrstag in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz statt. Die vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz organisierte Veranstaltungsreihe brachte 900 Gäste und 40 Aussteller:innen aus dem In- und Ausland zusammen. Die Branchenvertretende des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) kamen nach Koblenz, um im Rahmen von rund 130 Fachvorträgen aktuelle Themen des Nahverkehrs zu diskutieren.

Viele Fachvorträge beschäftigten sich mit automatisierter und vernetzter Mobilität (AVM). Es wurden unter anderem die Anwendungsmöglichkeiten und Wirkungen der AVM im und auf den ÖPNV vorgestellt und diskutiert.

So teilten die Vortragenden ihre Erkenntnisse aus Pilotprojekten sowie ihre Forschungsergebnisse und verwiesen darauf, dass es trotz der erzielten Fortschritte noch weiterer Erprobungen bedürfe. Man müsse die bisherigen Erfahrungen in zukünftige Projekte integrieren sowie identifizierte Lücken gezielt schließen.

Rechtzeitig über Akzeptanz nachdenken und ausreichend Zeit einplanen

Als eine wichtige Erkenntnis wurde betont, dass sich die Akteurinnen und Akteure bei der Einführung neuer Mobilitätskonzepte schon möglichst früh mit dem Thema Akzeptanz auseinandersetzen sollten. Eine wichtige Maßnahme in diesem Zusammenhang ist das frühzeitige Informieren und Einbinden der Stakeholder schon während der Planungsphase. Aus unterschiedlichen Projekten – von On-Demand Verkehren über Mitfahrgelegenheiten zu autonomen Shuttles – wurde die Bedeutung von akzeptanzsteigernden Maßnahmen insbesondere in der fragilen Startphase hervorgehoben.

Gleichzeitig zeigten die Vorträge, dass es Zeit braucht, bis sich Verhaltensänderungen oder Akzeptanz in der Bevölkerung durchsetzen. Da derzeit etabliertes Verhalten zukünftig nicht mehr möglich sein wird, müssen attraktive Alternativen geschaffen und kommuniziert werden. Dies zeigt sich am Beispiel der Stockholmer City-Maut, die der Verringerung des Stauproblems in der Innenstadt dienen sollte. Die generierten Einnahmen flossen in die Angebotsverbesserung und Preissenkung des ÖPNV. Vor der testweisen Einführung war die große Mehrheit der Anwohner gegen diese Maßnahme. Nachdem sie den Mehrwert während der siebenmonatigen Testphase jedoch erleben konnten, stimmten die Stockholmer mehrheitlich dafür, diese Maßnahme in einer permanenten Regelung weiterzuführen.

Die Qualität des ÖPNV-Angebots ist entscheidend für den Erfolg der Verkehrswende

Dieses und weitere Beispiele zeigen, dass gewohntes Mobilitätsverhalten sich vor allem dann ändert, wenn ein gut ausgebauter ÖPNV existiert. In diesem Fall steige die Bereitschaft, beispielsweise auf das eigene Auto zu verzichten und auf andere Mobilitätsformen zurückzugreifen. Die Vorträge führten aus, dass die effektive Nutzung des ÖPNV signifikant steige, wenn die Angebotsqualität eine bestimmte Güteklasse erreiche.

Foto: © 15. Deutscher Nahverkehrstag / Fotografie: Fabian Burgard

Autonome Fahrzeuge als Werkzeug im Umgang mit dem Personalmangel

Über 50% der Fahrer:innen seien laut einer Studie des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmen e.V. über 50 Jahre alt. Das Wegfallen dieser Fahrer:innen ist entsprechend absehbar und müsse kompensiert werden Der Einsatz von autonomen Fahrzeugen wird von vielen als Lösungsansatz für eine der dringlichsten Herausforderungen des ÖPNV gesehen, jedoch sieht die derzeitige Gesetzeslage für autonomes Fahren vor, dass ein sogenannter Operator weiterhin im Fahrzeug sein muss, um in kritischen Situationen die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen zu können. Eine quantitative Verringerung des Personalbedarfs ist unter diesen Voraussetzungen nicht möglich. Die Rolle des Fahrers sei jedoch im Wandel und die Übernahme der diversen Fahrfunktionen durch das Fahrzeug lasse mehr Raum für die soziale Dimension des Berufes. Die AVM könne auf diesem Wege dazu beitragen, den Beruf des Fahrernden – oder in diesem Falle Operators – attraktiver zu machen und auf diese Weise dem Personalmangel entgegenzuwirken.

On-Demand Verkehre: Differenzierte Betrachtung notwendig!

Auch die Flexibilisierung des Angebots war ein vieldiskutiertes Thema in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. Insbesondere für den ländlichen Raum, wo die Fahrzeugbesetzungsgrade des Linienverkehrs in der Regel geringer sind, bieten Bedarfsverkehre Potenzial zur Verbesserung des Angebotes. In diversen Szenarien können (autonome) On-Demand Verkehre bedarfsgerecht eingesetzt werden und somit komfortablere und kosteneffizientere Mobilität ermöglichen. Jedoch gebe es Zwecke, bei denen es Sinn mache, das „klassische“ Modell des getakteten Busses weiterhin zu nutzen – beispielsweise für den morgendlichen Schulverkehr. Ein vollflexibler On-Demand Verkehr führe in solchen Fällen zu Ineffizienzen und müsse daher als Ergänzung, nicht aber als Ersatz des bestehenden Angebotes betrachtet werden. In mehreren laufenden Projekten wurden solche Sonderfälle identifiziert und entsprechende Ansätze entwickelt und erprobt, um eine Kannibalisierung mit dem regulären Taktverkehr zu vermeiden.

Fazit: Die bisherigen Erfahrungen sind vielversprechend, es bedarf aber noch gezielter Erprobung

Der Nahverkehrstag in Koblenz hat gezeigt, dass die AVM einen entscheidenden Beitrag zu den akuten Herausforderungen des ÖPNV leisten kann. Die Vielzahl der Projekte zeigt, dass Verkehrsbetriebe und Kommunen ein Potenzial für die Verkehrswende und zur langfristigen Verbesserung des Mobilitätssystems sehen.

Die bislang gesammelten Erfahrungen sind vielversprechend, zeigen aber auch, dass es noch viele offene Fragen gibt. Viele der Projekte untersuchen spezifische Szenarien mit ausgewählten Effekten. Es liegen daher nur wenige Erkenntnisse über Wechselwirkungen dieser Einzelmaßnahmen vor. Ein wichtiger Schritt ist die systematische Sammlung und Berücksichtigung der bereits erzielten Erkenntnisse bei der Planung und Umsetzung in kommenden Projekten.

Die Unterstützung von Kommunen bei der Planung und Umsetzung von AVM-Projekten ist einer der Schwerpunkte des innocam.NRW. Sprechen Sie uns bei Fragen oder zum Austausch zu aktuellen Fragestellungen gerne an. Sie erreichen uns unter info@innocam.nrw.