KIS‘M: KI-basiertes System für vernetzte Mobilität

Die selbstfahrenden Versuchsträger von DLR, Fraunhofer FOKUS und DCAITI

Aus unserem Blog • Von Konstantin Brüske, Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt Mobilität • Oktober 2024

Berlin steht vor der akuten Herausforderung, bezahlbaren und verlässlichen ÖPNV auch in wachsenden Wohngebieten anzubieten. KIS’M steht für KI-basiertes System für vernetzte Mobilität und ist ein Förderprojekt, das von Januar 2022 bis 2025 läuft. Das Projekt verfolgt das Ziel, ein bedarfsgerechtes ÖPNV-Angebot mit fahrerlosen Fahrzeugen auf dem Innovationscampus „Berlin TXL – The Urban Tech Republic” (auf dem Gebiet des ehemaligen Flughafen Tegel) und dem angrenzenden Straßenland zu erproben und umzusetzen.

Das Projekt wird unter der Leitung der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) durchgeführt. Partner sind u.a. die BVG, das DLR, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH, Fraunhofer FOKUS, die Freie Universität Berlin und die TU Berlin. Unterstützt wird das Vorhaben außerdem von der Tegel Projekt GmbH, die das Gelände für die Erprobung zur Verfügung stellt, und der T-Systems International GmbH, die 5G-Netzfunktionen bereitstellt.

Wesentliche Ziele des Projektes

Die Umsetzung eines fahrerlosen Bedarfsverkehrs und die Entwicklung sicherer, zuverlässiger und akzeptierter Abläufe für die technische Aufsicht (TA) an virtuellen Haltestellen und in den autonomen Fahrzeugen gehören zu den ehrgeizigen Zielen von KIS‘M. Mit einer besseren Vernetzung und Kooperation automatisierter Fahrzeuge untereinander sowie mit der Verkehrssteuerung sollen eine höhere Sicherheit des Verkehrs auch in einem Mischsystem erreicht werden.

Aus den im Verkehr aufgenommenen Daten sollen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) aktuellere und genauere Karten- und Verkehrsinformationen abgeleitet werden. Darüber hinaus will KIS’M aus den gesammelten Erfahrungen eine Strategie für den weiteren Einsatz von fahrerlosen Fahrzeugen und ihre Überführung in einen Regelbetrieb im Land Berlin entwickeln.

Vernetzter Betrieb hochautomatisierter Verkehrsmittel

Im Vorgängerprojekt Shuttles&Co wurde bereits der Einsatz von hochautomatisierten Kleinbussen getestet. In KIS’M werden nun Erkenntnisse für einen zukünftigen automatisierten Bedarfsverkehr gesammelt und auf dem Testfeld „Urban Tech Republic” im teleoperierter Betrieb erprobt. Ziel ist es, Betriebsszenarien zu testen, bei denen Fahrgäste ohne Begleitpersonal befördert werden. Die Überwachung der Fahrzeuge erfolgt dabei ausschließlich aus einer Leitstelle, um Erkenntnisse für den Regelbetrieb zu gewinnen.

Nach Aufstellung der Anforderungen an die intermodale Vernetzung werden die Anwendungsfälle in den verschie­de­nen Kombinationen von ÖPNV, Einsatzfahrzeugen (BOS) und gemischt automatisiertem Verkehr mit Methoden der KI-gestützten kooperativen strategischen Manöversteuerung spezifiziert und umgesetzt. Ziel ist die Verbesserung des Betriebsablaufs auf taktischer Ebene, dies soll durch Realfahrten demonstriert werden.

Berlin TXL im Oktober 2021 © Tegel Projekt GmbH / Christian Sommer

Vielfältige KI-Anwendungsfälle

Die Umsetzung und Erprobung von KI-Modulen zur Unterstützung der Manöverkoordination wird über das dynamische Karteninformationssystem für kooperativen automatisierten Verkehr umgesetzt und erprobt. Drei Anwendungsfälle kommen im Kontext mit dem System zum Tragen: eine selbstaktualisierende Karte, virtuelle Haltestellen und virtuelle Ladezonen.

Die Daten für die selbstaktualisierende Karte werden einerseits von automatisierten Versuchsträgern, die mit spezieller Sensorik ausgestattet sind, geliefert. Andererseits werden stetig und tagesaktuell Daten aus den durchgeführten Fahrten eingetragen. Dazu wird eine Smartphone-App zur KI-basierten Detektion von verkehrsrelevanten Objekten entwickelt. Diese Lösung kann auf einem mobilen Endgerät installiert werden und somit in einer Flotte zum Einsatz kommen.

Zudem wird die Kartierung virtueller Haltestellen für echten On-Demand-Service untersucht und erprobt. Die hier geleisteten Arbeiten sollen auch als Grundlage für eine Heatmap virtueller Ladezonen für KEP-Dienste (Kurier, Express, Paket) dienen. Die Daten sollen als Open Data und in speziellen Services allen Verkehrsteilnehmenden zur Verfügung gestellt werden.

Ebenfalls durch künstliche Intelligenz unterstützt wird die Verkehrssteuerung des Mischverkehrs aus ÖPNV, BOS und gemischt automatisierten Verkehrsmitteln. Dazu gehören u.a. die Weiterentwicklung der Bevorrechtigung mit Vehicle-to-Infrastructure- Technologien (kurz V2I, z. B. synchronisierte Abfahrten an Haltestellen) und Routing-Services mit GLOSA. Zudem sollen Radfahrerinnen  und Radfahrer sowie und Fußgängerinnen und Fußgänger besser in die Verkehrssteuerung integriert werden.

Nutzerzentrierte Integrierte Technikentwicklung

Mobilitätslösungen sind am Ende des Entwicklungsprozesses immer nur so sinnvoll, wie ihr konkreter Mehrwert für die vorgesehenen Nutzenden. Deshalb betrachtet KIS’M auch die Nutzerzentrierte Integrierte Technikentwicklung (NIT).  Für die ganzheitliche Betrachtung einer NIT im Projekt werden folgende komplementäre Ansätze kombiniert.

Für die Untersuchung der Technikauswirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens (AVF) werden u.a. die ELSI-Kriterien (ethische, rechtliche/legal und soziale Implikationen) herangezogen und aus der Perspektive von relevanten Betroffenengruppen bewertet. Die Anforderungen an und Einschätzungen zu Technologien werden aus diesen unterschiedlichen Perspektiven im konkreten Anwendungskontext abgefragt und verbunden. Zusätzlich liegen der Betrachtung die Richtlinien der Ethikkommission zum AVF und das Gesetz zum autonomen Fahren zu Grunde.

Ferner werden Mensch-Maschine-Interaktionskonzepte (MMI) menschzentriert und iterativ anhand ausgewählter Use Cases entwickelt. Für den Arbeitsplatz der Technischen Aufsicht geschieht das auf Basis relevanter Szenarien im ÖPNV und umfasst eine eingehende Analyse, Adaptation und Präzisierung von Rollenmodellen der Technischen Aufsicht (TA). Ebenso wird die virtuelle Haltestelle als Nutzerführung und die Interaktion zwischen Fahrgästen und der Technischen Aufsicht an Bord des Fahrzeugs entwickelt. Diese MMI werden in der Simulation prototypisch erlebbar gemacht (durch Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR)) und Wechselwirkungen mit Einsatzszenarien von Personal im oder am Fahrzeug (Betriebsaufsicht, Sicherheitspersonal etc.) o.ä. Vertrauensinstanzen untersucht. 

Darüber hinaus werden in vom Konsortium organisierten „Innovations-Börsen“ gemeinsam mit lokalen Stakeholdern differenzierte Anwendungsbereiche analysiert, die auf die Skalierbarkeit automatisierter Mobilitätslösungen und die Ableitung einer Rollout-Strategie abzielen.

Ausblick

Das Projekt KIS’M hat noch einige spannende Monate vor sich und muss sich neben den geschilderten Themenfeldern auch den komplexen Zusammenhänge der Fahrzeugzulassung stellen. Mit dem „Gesetz zum autonomen Fahren“ können vollautomatisierte Fahrzeuge des Level 4 in Deutschland zugelassen werden, wie unter anderem beim innocam.STAMMTISCH im September vorgestellt wurde. Das Projekt hat dazu einen tollen Erklärfilm erstellt, der erläutert, wie dieses Gesetz in der Praxis umgesetzt wird, welche Rolle das Kraftfahrt-Bundesamt spielt und warum die technische Aufsicht so wichtig ist. Schauen Sie mal hier rein:  https://www.youtube.com/watch?v=P0A_cnTrvLc

Den aktuellen Stand des Projekts und weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite von KIS’M:

Sie möchten ihr Projekt auf dem innocam.BLOG vorstellen oder haben ein Vorhaben, bei dem Sie Unterstützung benötigen? Dann sprechen Sie uns gerne bei Fragen und Ideen an. Sie erreichen uns per E-Mail unter info@innocam.nrw oder telefonisch unter 0162 4861673.