
Aus unserem BLOG • Von Tim Rehbronn, RWTH Aachen University • Oktober 2025
Automatisierungsfunktionen in der Binnenschifffahrt auf dem Weg zu höheren Automatisierungsgraden: Eindrücke vom 4. Arbeitskreistreffen „Wasser“
Am 28. August 2025 fand das vierte Treffen des Arbeitskreises „Wasser“ statt. Zwischen 09:00 Uhr und 12:00 Uhr kamen Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen zusammen, um den aktuellen Marktstand zur Automatisierung in der Binnenschifffahrt zu erörtern und mögliche Herausforderungen und Chancen abzuleiten, die wir in den Beobachtungsbericht integrieren werden. Nach einem Impulsvortrag zu unserem Marktbeobachtungsbericht mit dem Titel „Assistenzsysteme in der Binnenschifffahrt“, setzten sich die Teilnehmenden intensiv und produktiv mit diesem Thema auseinander.
Das Treffen startete mit einem Impulsvortrag von Dr.-Ing. Tim Reuscher zum Marktbeobachtungsbericht „Assistenzsystemen in der Binnenschifffahrt“. Der Vortrag ordnete die Automatisierungsgrade nach ZKR ein, zeigte Treiber wie Personalengpässe und Kostendruck und gab einen technischen Überblick zu Track Guidance Assistant for Inland Navigation (TGAIN; Stufen 1–3). Ergänzend wurden marktreife Lösungen wie Argonics ArgoTrackPilot und der Track Pilot der Firma TRESCO skizziert sowie erste rechtliche Einordnungen für TGAIN 1–3 diskutiert. Die Kernbotschaft: Assistenzsysteme bilden die Brücke zu höheren Autonomiegraden, erfordern aber verlässliche Sicherheits- und Nachweiskonzepte.
Im Anschluss stellte Dr.-Ing. Frédéric Kracht (DST) die „Autonomous Inland & Short Sea Shipping Conference (AISS)“ im Rahmen der Xponential Europe vor. Lasse Pipoh (innocam.NRW) ergänzte weitere Termine und betonte den Bedarf an vernetztem Austausch zwischen Industrie, Forschung und Behörden, um Entwicklungen zu beschleunigen und Erkenntnisse zu harmonisieren.
Im weiteren Verlauf des Treffens standen die Erarbeitung von Chancen und Risiken, sowie der Wünsche aus der Branche an die Entwicklung von Assistenzsystemen im Zentrum. Aus technischer Perspektive rückten IT-Sicherheit entlang digitaler Prozesse und Schnittstellen, die Auslegung resilienter Systeme mit klaren Sicherheitsniveaus sowie das Verhalten der Verkehrsteilnehmer im Autonomie-Mischbetrieb in den Fokus. Für den Betrieb wurde zudem die Relevanz robuster Mensch-System-Kommunikation über Funk und Mehrsprachigkeit hervorgehoben.
Auf gesellschaftlicher Ebene adressierten die Beiträge Skepsis, De-Skilling-Ängste und das Risiko von Alarmfluten. Ein einzelner schwerer Unfall kann dazu führen, das Vertrauen in automatisierte Systeme langfristig geschädigt wird. Rechtlich gesehen, wurde der Bedarf an klareren Rahmenbedingungen für höhere Automatisierungsgrade betont. Die Teilnehmenden erwarten für 2026 keine Regelungen, die das Verlassen der Brücke oder eine Abgabe von Verantwortung erlauben.
Aus dieser Analyse leiteten die Teilnehmenden konkrete Anforderungen ab.
- Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für höhere Automatisierungsgrade.
- Infrastrukturmaßnahmen wie stabile Mobilfunkabdeckung, WLAN an Schleusen sowie standardisierte, offen dokumentierte Schnittstellen.
- Erleichterter, datenschutzkonformer Zugang zu Betriebsdaten für Forschung.
- Priorisierte Forschung zu IT-Security und Resilienz, um definierte Sicherheitsniveaus nachweisbar zu erreichen.
- Frühzeitige Integration von Assistenzsystemen in Aus- und Weiterbildung.
Bei den Markt- und Betriebsbedingungen wurde auf die mittelständische Prägung der europäischen Flotte hingewiesen. Hohe Investitionen bremsen die Einführung und verlängern den Mischbetrieb mit konventionell betriebenen Fahrzeugen. Für dieAkzeptanz wurden drei Hebel priorisiert: finanzielle Vorteile transparent belegen, eindeutige Rechtsrahmen schaffen und Qualifizierung systematisch verankern. Eine ergänzende internationale Marktbeobachtung, etwa im Vergleich zu Niederlanden oder China, kann Reifegrade und Best Practices belastbar gegenüberstellen.
Zum Abschluss wurde der Blick nach vorn gerichtet: Im kommenden fünften Arbeitskreistreffen im November soll der Schwerpunkt auf Regulierung und rechtlichen Rahmenbedingungen liegen. Weiter Informationen und Anmeldemöglichkeiten werden in Kürze bekanntgegeben.
Erkenntnisse und Aussblick
Abschließend hielten die Teilnehmenden fest: Assistenzsysteme gelten als Schlüssel auf dem Weg zu höherer Automatisierung. Eine Betrachtung aus verschiedenen Bereichen beteiligter Akteure ist dabei unabdingbar. Der Nutzen durch Automatisierung realisiert sich aber nur mit belastbaren Sicherheitsnachweisen und IT-Sicherheit, so wie klarer Kommunikation der Vorteile. Kurzfristig sollen das gemeinsame Anforderungsdokument konsolidiert, Forschung zu Resilienz und Sicherheit priorisiert und der Zugang zu Betriebsdaten für Forschung praxisnah ermöglicht werden. Mittelfristig stehen präzisere rechtliche Grundlagen, der Ausbau von Mobilfunk- und Schleusen-WLAN sowie standardisierte Schnittstellen im Vordergrund. Gleichzeitig sollten Assistenzfunktionen früh in Aus- und Weiterbildungsformaten verankert und der Transfer von Forschung in Industrie gefördert werden. Für die Akzeptanz bleiben drei Hebel zentral: nachweisbare wirtschaftliche Vorteile, klare Regeln und eine nutzergerechte Gestaltung ohne Alarmfluten. Die Ergebnisse des Workshops werden in den Marktbeobachtungsbericht einfließen.
Sie möchten sich im Arbeitskreis „Wasser“ einbringen und mitdiskutieren? Dann melden Sie sich gern bei uns unter info@innocam.nrw