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„Radverkehr in Zeiten des vernetzten Fahrens: von autonomen Lastenrädern und moderner Detektion des Radverkehrs“

Aus unserem BLOG • Von Dr. Nadine Teusler, innocam.NRW • März 2025

Die Deutsche Verkehrswissenschaftliche Gesellschaft e. V. (DVWG e. V.) – Bundesvereinigung Sachsen lud am 13.03.2025 zur Onlineveranstaltung „Radverkehr in Zeiten des vernetzten Fahrens: von autonomen Lastenrädern und moderner Detektion des Radverkehrs“ ein.

Dr. Tom Assmann, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, sprach über automatisierte und autonome Lastenräder als sinnvolle Zukunftstechnologie. In der Gesellschaft ist das Grundbedürfnis verankert, Wege so flexibel und so kostengünstig wie möglich zurücklegen zu können. Dabei haben sich bereits unterschiedliche Lösungen wie Bike-Sharing, Car-Sharing, Taxis etc. oder auch öffentliche Alternativen gebildet, die je nach Bedarf der Nutzerin oder des Nutzers Vor- und Nachteile haben.

Automatisierte und autonome Lastenräder sind nicht nur im Privaten (z.B. Beförderung von Kindern, Erledigung von Einkäufen) eine Option, sondern vor allem auch im Wirtschaftsverkehr. Diese können leichte Nutzfahrzeuge bei Service- und Wartungsfahrten oder in der (Paket-)Logistik ersetzen und können sich flexibler als ein Kfz in der städtischen Infrastruktur bewegen.   

Darüber hinaus sind weitere Vorteile möglich: 

  • Steigerung der Effizienz 
  • Steigerung der Verkehrssicherheit
  • Steigerung des Arbeitskräftepotentials 
  • Verringerung von Staus 
  • Verringerung des Energieverbrauchs 
  • Einsparung von Emissionen 

Ebenso wie bei anderen Floating-Sharing-Angeboten (ohne feste Abhol-/Rückgabestation) ist die Herausforderung, dass Angebot und Nachfrage nicht an einem Ort gebündelt werden. Beim Abstellen des Fahrzeuges kommt dann auch ein Vorteil des Fahrrades zum Tragen, diese können auch über Bürgersteige und sonstige Wege bewegt werden.

Vorstellung Projekt AuRa – Autonomes Rad: Flexibler Einsatz autonomer Fahrradsysteme für Logistik- und Beförderungsaufgaben

An dieser Stelle setzt das Projekt AuRa – Autonomes Rad: Flexibler Einsatz autonomer Fahrradsysteme für Logistik- und Beförderungsaufgaben an. Im Gegensatz zum Segway oder Hoverboard ist es ein intuitiv bedienbares und flexibel konfigurierbares Fahrzeug, das ohne Führerschein benutzt werden kann. 

Die Vorgehensweise ist wie folgt vorgesehen: 

  • Die Nutzerin/der Nutzer fordert beim Leitrechner das Beförderungsmittel an. 
  • Der Leitrechner fordert ein geeignetes Fahrrad aus dem Depot an. 
  • Das Lastenfahrrad navigiert autonom zur Position der Nutzerin/des Nutzers. 
  • Die Nutzerin/der Nutzer fährt manuell zum Ziel. 
  • Das Lastenfahrrad kehrt autonom zum Depot zurück oder fährt autonom zum Folgeauftrag.

Die Depots müssen dabei nicht zwingend im öffentlichen Verkehrsraum liegen und können auch durch Hinterhöfe etc. realisiert werden. Dabei können Behinderungen im öffentlichen Raum minimiert werden. 

Automatisierte und autonome Lastenfahrräder können darüber hinaus in weiteren Assistenzfunktionen eingesetzt werden, die sich in drei Kategorien unterteilen lassen: 

  • Folgen – Das Lastenfahrrad folgt oder begleitet die Person seitlich, z.B. in der Post- und Paketzustellung. 
  • Kommen – Das Lastenfahrrad kann in gewissen Abständen herangerufen werden, z.B. bei der Straßen-, Park- und Eventreinigung. 
  • Manuelles Fahren – Das Lastenrad wird von der Nutzerin oder dem Nutzer manuell gefahren. 

Die Markteinführung derartiger automatisierter und autonomer Lastenfahrräder ist im nächsten Schritt geplant. Das Lastenfahrrad soll dabei eine Geschwindigkeit von 6 km/h erreichen. 

Im Gegensatz zum automatisierten und autonomen Shuttle oder Kraftfahrzeug bewegt sich das automatisierte und autonome Lastenfahrrad in einem anderen Verkehrsraum. So werden Personen nicht als Störfaktoren angesehen, die automatisch einen Bremsvorgang nach sich ziehen, sondern es wird ein Interaktionsprozess angestoßen.

Weitere Herausforderungen sind: 

  • Unstrukturierte Verkehrsräume
  • Vielfältige Infrastrukturen
  • Fehlende Datensätze für KI-Training
  • Schlechte Radinfrastruktur

Zudem gibt es für die Umsetzung von automatisierten und autonomen Lastenfahrrädern keine handelsüblichen Komponenten, die einfach eingesetzt werden können. Darüber hinaus unterscheiden sich die beiden Varianten hinsichtlich des benötigten Kartenmaterials, da Radwege aufwendiger darzustellen sind.

Der rechtliche Rahmen wird noch angepasst. Notwendige Berücksichtigung muss nach Ansicht von Tom Assmann die AFGBV und die Fernlenk-Verordnung finden.  

Weiterführende Informationen zum Projekt sind hier zu finden: AuRa-Autonomes Rad Flexibler Einsatz autono… ID:22983 

In einem zweiten Vortrag ging Johannes Schering von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg auf das Thema Radverkehrsdaten- und sensorik ein. 

Geoinformationssysteme (GIS) ermöglichen bereits heute einen guten Überblick über das Radverkehrsnetz. Dabei können verschiedene Tools und Webseiten die Netzanalyse unterstützen. Dazu gehören u.a.: 

  • Bestandsdaten zum Straßenbau 
  • Mapillary – eine Plattform, die Bilder und Kartendaten auf Straßenebene maßstabsgetreu verfügbar macht und die Kartierung automatisiert
  • Kommunale Fahrradzählstellen
  • Webinterfaces zur Unfallanalyse
  • Mängelmeldesysteme 

Trotz der vielfältigen Quellen ergeben sich verschiedene Herausforderungen, die wie folgt zusammengefasst werden können: 

  • Die Datenverfügbarkeit setzt sich aus dezentraler Datenhaltung zusammen. 
  • Es werden isolierte Systeme verwendet.
  • Es besteht ein erhöhter Abstimmungsbedarf mit verschiedenen Stakeholdern. 
  • Die Aussagekraft der verfügbaren Daten ist mitunter gering bzw. nicht ausreichend. 
  • Daraus resultierende Entscheidungen sind oft subjektiv.

Vorstellung Forschungsprojekt INFRASense

Mit dem mFund geförderten Forschungsprojekt INFRASense (2021 – 2024) soll die Radverkehrsplanung durch Crowdsourcing und automatisierte Sensordatenauswertung unterstützt werden.  

Dabei werden folgende zentrale Forschungsfragen in den Fokus gestellt: 

  • Welche Kriterien (z.B. Verlustzeiten, Beschaffenheit) sind für eine Bewertung der Radverkehrsqualität aus
    Sicht der Nutzenden relevant? Wie sind diese zu gewichten? 
  • Kann die Qualitätsbewertung aus Sicht der Nutzenden durch intelligente Algorithmik/Verfahren abgebildet
    und damit automatisiert werden? 

Ein Dashboard soll dabei relevante und zum Teil neue Datenquellen für die Radverkehrsplanung bereitstellen. Diese beinhalten u.a.: 

  • Merkmale der Fahrradinfrastruktur (z.B. Radwegebreite, Oberfläche)
  • Verkehrsqualität (Qualitätsstufen im sechsstufigen System A-F in Anlehnung an FGSV-Regelwerke (Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V.) 
  • Verkehrsstärke (Aufkommen Autoverkehr, Geschwindigkeiten) und Straßeninformationen (Zeitverluste auf Strecken und an Knoten) 
  • Wahrnehmung (Problembenennung und Kurzbeschreibung) 
  • Verkehrssicherheit (u.a. Ort des Unfalls, Unfalltyp, Verursacher, Beteiligte, Verletzte, Wetter)

Das Dashboard ist unter folgendem Link aufrufbar: Radweg Radar
Weiterführende Informationen zum Projekt sind hier zu finden: Home | Infrasense 

Vorstellung Projekt BikeDetect

Darüber hinaus wurde das Projekt BikeDetect (Laufzeit 2024 – 2026) vorgestellt. Im Schwerpunkt geht es um die Entwicklung und Erprobung eines kosteneffizienten Sensorsystems zur verbesserten Detektion von Radfahrenden im realen Straßenverkehr. Perspektivisch sollen Autofahrer bei der Einhaltung von Mindestabständen unterstützt werden. Dabei geht es nicht um die Erkennung von Gefahrensituationen im Radverkehr, sondern vielmehr um einen Perspektivwechsel hin zum Autofahrer, um Auto fahrende zu sensibilisieren.

Bisher konnte eine Parkplatzstudie mit dem ersten Messsystem durchgeführt werden. Die nächsten Schritte beinhalten die Auswahl und Implementierung von KI-Modellen zur Detektion von Radfahrenden, die Fusionierung der Datenströme, um Überholvorgänge zu detektieren und ein Feldtest im Stadtverkehr von Osnabrück (September/Oktober 2025). 
Weiterführende Informationen zum Projekt sind hier zu finden: BikeDetect // Universität Oldenburg.

Über die DVGW

Die DVWG gliedert sich deutschlandweit in 17 Bezirksvereinigungen. Diese haben die Aufgabe, die regionale Arbeit der DVWG zu gestalten. Die Bezirksvereinigungen richten dafür Vortragsveranstaltungen und Exkursionen aus. Die BV Rhein-Ruhr-Westfalen ist räumlich zuständig für Nordrhein-Westfalen und damit den größten Ballungsraum in Deutschland.  

Ein wichtiges Ziel der deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft e. V. ist die Verbesserung und Entwicklung des verkehrsträgerübergreifenden und interdisziplinären Austausches zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in allen Belangen des Verkehrs. Sie ist eine neutrale Plattform für den Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen Theorie und Praxis der Verkehrsentwicklung und orientiert sich an einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung.  

Wir sind für unseren Blog immer auf der Suche nach spannenden Projekten und Vorhaben aus dem Bereich der automatisierten und vernetzten Mobilität – sprechen sie uns einfach über kommunikation@innocam.nrw an!