Aus unserem BLOG • Von Sinem Atilgan, 4traffic SET GmbH • Januar 2023

Vernetzte Mobilität – Die Infrastruktur gehört dazu!

Die digitale Transformation wird mit einer „industriellen“ Revolution gleichgesetzt. Dabei schaffen erst ganzheitliche Daten Effizienz in überlaufenen Städten. Die Bedarfe einer neuen Mobilität sind Treiber für vernetzte, automatisierte Fahrzeuge und Infrastruktur zugleich. Letztere wird oft vergessen.

Das Leben in einer Großstadt wird mit viel Stress, Hektik und ungeduldigen Verkehrsteilnehmer:innen gleichsetzt. Schon lange ist es attraktiver, wieder außerhalb zu wohnen und zum Arbeiten in die Stadt zu fahren. Menschen ohne eigenes Fahrzeug wiederum zieht es in zentral gelegene Wohnlagen mit vorhandenem ÖPNV-Angebot. Im Ergebnis bedeuten zunehmende Pendlerzahlen und Passanten zunehmenden Verkehr und Getümmel in unseren Innenstädten.

Die Bedarfe einer neuen Mobilität sind der Treiber für vernetzte, automatisierte Fahrzeuge

An sich ist das Grundproblem klar zu erkennen – die städtische Infrastruktur ist nicht auf die aktuellen Menschenmengen, vermehrte Fahrzeugauslastung und Klimaeffekte ausgerichtet. Eine komplette Neugestaltung entsprechend der Anforderungen an eine neue, bedarfsgerechte Mobilität ist undenkbar. Daher müssen die Infrastruktur und die Elemente darin intelligent agieren und miteinander kommunizieren. Mit jeder Minute steigert sich der Bedarf an vernetzten, automatisierten Mobilitätskonzepten.

Dabei werden Fahrzeuge kontinuierlich mit Kommunikations- und Erfassungstechnologie ausgestattet, die sie an die Erfordernisse einer neuen Mobilität anpasst und zukunftsfähig macht. Jegliche Sensorik und Kommunikationselemente sind integriert und ermöglichen es, dass das Fahrzeug sein direktes Umfeld „versteht“ und entsprechend reagiert. Es reicht so weit, dass sich Fahrzeuge untereinander verständigen und miteinander fahren können.

Erst die ganzheitliche Datenbetrachtung schafft Effizienz in überlaufenen Städten

Bei diesem Ansatz wird oftmals leider die Infrastruktur an sich „vergessen“. Mittlerweile werden in vielen Stadtbereichen verkehrsberuhigte Zonen eingerichtet. Auch an diesen Punkten ist wichtig zu verstehen, wie sich die Auslastung mit weiteren Mobilitätsteilnehmer:innen, die relevanten Gegebenheiten für den städtischen Betrieb, die Emissionen und Immissionen entwickeln. So sind beispielsweise Füllstände von Mülleimern relevant für die dynamische Routenplanung der Stadtbetriebe. Diese Daten können mit entsprechender Sensorik erfasst werden, die mit den Fahrzeugen der städtischen Betriebe vernetzt werden, welche ihre Routen planen und in Zukunft automatisiert abfahren könnten.

Es ergeben sich vielerlei Beispiele, die eine Kommunikation zwischen der Infrastruktur und den Fahrzeugen fordert. Drei Punkte werden bei der digitalen Transformation zu einer automatisierten und vernetzten Mobilität wenig beachtet:

  1. Eine ganzheitliche Betrachtung der Mobilität geht über die alleinige Betrachtung von Kraftfahrzeugen hinaus.
  2. Die Ausgestaltung einer vernetzten Mobilität geht über die Vernetzung von Kraftfahrzeugen untereinander oder einer Vernetzung von Fahrzeugen zu der Infrastruktur hinaus.
  3. Zu einer nachhaltigen und effizienten Gestaltung der Stadt gehört mehr als die Verkehrsoptimierung.

Die „industrielle“ Revolution der Mobilität bedingt Echtzeitdaten aus der Infrastruktur

Eine Stadt entwickelt sich zusammen mit den Menschen, die darin leben. Das dynamische Chaos muss geordnet werden, um den Lebenswert innerhalb einer Stadt sicherzustellen. Dabei gilt das gleiche Prinzip, wie in allen dynamischen Gebilden, in der ein harmonisches Zusammenleben herrschen soll. Nur was erfühlt und versteht, kann handeln! Für eine Stadt lässt sich die Analogie wie folgt ableiten: Durch Sensorik an Fahrzeugen, an Laternen und Beschilderung, wird die Stadt dazu befähigt, komplexe Situationen zu „erfühlen“. Durch die Analyse der Daten in den Fahrzeugen und innerhalb städtischer Plattformen werden komplexe Situationen verständlich. Die Reaktionsfähigkeit zeigt sich in der direkten Maßnahmenanwendung durch vernetzte und automatisierte Fahrzeuge (Lenken, Bremsen Navigieren), der vernetzten und automatisierten Reaktion der Infrastruktur (Leiten, Regeln), deren Kommunikation miteinander (V2X) und nicht zuletzt der automatisierten Reaktion der Infrastruktur zum intelligenten Verkehrsmanagement.

In der Theorie ist dies ganz einfach. Was hindert uns praktisch daran?

Die Smartifizierung der bestehenden Infrastruktur durch Sensorik erscheint sehr aufwendig. Auf der einen Seite können langwierige bauliche Maßnahmen notwendig sein. Hardware und Softwaresysteme sind zudem mit großen Abhängigkeiten verbunden, wenngleich Open Source Ansätze kontinuierlich an Beliebtheit gewinnen. Darüber hinaus kann der Aufbau eines großflächigen Sensornetzwerks entsprechend hohe Kosten verursachen. Angenommen, es existiert bereits eine Hardware-Infrastruktur (Sensornetzwerk), so stehen Kritikpunkte mit Blick auf die erfassten Echtzeitdaten im Raum, die als Big-Data für digitale Zwillinge eingesetzt würden. Hierbei wird die Energieeffizienz in Frage gestellt.

Die Vernetzung und Automatisierung der Infrastruktur ist entscheidend für die neue Mobilität

Vor diesem Hintergrund wurde 2018 an der RWTH Aachen University daran geforscht, wie sich die Infrastruktur zeit-, kosten- und energieeffizient smartifizieren und vernetzen lässt. In 2019 nahm dazu im Rahmen der „Erlebniswelt Mobilität Aachen“ – ein urbanes Innovationsnetzwerk mit dem Ziel, Lösungen für die Mobilität der Zukunft zu entwickeln – das Forschungsprojekt EnDyVA seine Arbeit auf. Das mit Bundesmitteln aus der mFUND-Richtlinie geförderte Verbundvorhaben nahm unter der Leitung der e.GO Mobile AG und seinen Partnern RWTH Aachen University, der ASEAG und der 4traffic Gruppe die Einführung eines Verkehrsmanagementsystems zur Optimierung des Verkehrsflusses in seinen Fokus.

Seitens der 4traffic Gruppe wurde hier eine modulare Detektorbox zur Verkehrsflussmessung und Fahrzeugklassifizierung entwickelt, die aus kostengünstigen, handelsüblichen Sensorkomponenten besteht. Sie wird an bestehende Infrastrukturen angebracht und beginnt direkt mit der Echtzeitfassung.

Durch die ausgewählte Technologiekombination (Low Cost Sensorik, LoRaWAN-Übertragung, Kommunikationsprotokolle) ist der Datenweg energieeffizient und DSGVO-konform gestaltet. Für das ganzheitliche Verständnis wurde die Detekterbox zum Universaladapter für bis zu fünf unterschiedliche Sensoren weiterentwickelt. Dies ermöglicht, dass gleichzeitig Verkehrsflussdaten, Passantenflussdaten und Umweltdaten gesammelt und im Rahmen einer vernetzten Mobilität nutzbar gemacht werden können, und zwar in allen Stadtbereichen. So kann eine Schnittstelle zwischen den zukunftsfähigen Fahrzeugen und der aktuell analogen Infrastruktur geschaffen werden.

Unterschiedliche Lebensbereiche können durch eine vernetzte Infrastruktur optimiert werden

Das 4traffic-Entwicklerteam (v.l.n.r): Alexander Kotelnikow, Sinem Atilgan, Henric Breuer, Krzysztof Zibur

Im Ergebnis ist es im Projekt EnDyVA gelungen aufzuzeigen, dass es mit unkomplizierten Devices möglich ist, eine schnelle Smartifizierung der bestehenden Infrastruktur umzusetzen. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, einen möglichst breiten Anwendungskatalog mit einer standardisierten, skalierbaren Detektorbox zu befähigen, um so die vernetzte Mobilität hinsichtlich der Infrastruktur zu unterstützen und einen Beitrag zu einer lebenswerten und nachhaltigen Stadt zu leisten“, fasst Geschäftsführer Henric Breuer die Pläne des jungen Unternehmens am Standort NRW zusammen.

Mit der bei EnDyVA erstmals eingesetzten und danach weiterentwickelten Detektorbox können mittlerweile gezielte Untersuchungen auch in den folgenden Bereichen durchgeführt werden:

  • Logistikoptimierung an Binnenhäfen:
    Die Auswirkungen der innerstädtischen Logistik verstehen und automatisiert optimieren. Interne Logistik monitoren und entsprechend einer Taktzeitoptimierung automatisieren.
  • Erkennung von hohem Verkehrsaufkommen und gezielte optische Warnung durch Datenerfassung:
    Kommunikative Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer:innen zur Konfliktprävention untereinander. Im nächsten Schritt soll die automatisierte Warnmeldung in Fahrkabinen des ÖPNV geleitet werden.
  • Intelligente Starkregen-Risikowarnung im Verkehrssektor:
    Korrelierte Betrachtung von Niederschlägen und dem Verhalten der Verkehrsteilnehmer:innen zur automatisieren Leitung derer aus Gefahrenzonen durch vernetzte Fahrzeuge (Routen) und Infrastruktur (Grünphasen). mehr
  • Installation effizienter Parkplatzsensoren zur Identifikation von Leerständen für Parkleitsysteme:
    Automatisierte Ortung und Leitung zu freien Park- bzw. Abstellflächen für Fahrzeuge und Radfahrer
  • Effizienter Stadtbetrieb durch Echtzeiterfassung von Mülleimern und Laubfangkörben:
    Automatisiertes Routenabfahren durch vernetzte Fahrzeuge und Infrastruktur.
  • Erfassungssystem von Wasserpegeln an Flussbetten und Bachbetten zur optimierten Reaktionsfähigkeit bei Katastrophen:
    Automatisierter Aktionsplan für Einsatzkräfte durch vernetzte Mobilität und Zustandserfassung der Wasserstände in Echtzeit
  • Datenpool für die Stadt Aachen für die technische Entwicklung und Planung auf Basis von zeitlich und örtlich hochaufgelösten Messdaten:
    Schaffung eines digitalen Zwillings zur Befähigung einer automatisieren und vernetzten Kommunikation der Mobilitätsteilnehmer und der Infrastruktur. mehr