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Ein dunkelblaues Auto mit einem WLAN-Symbol über dem Dach fährt auf einer Straße. Daneben ist ein Monitor mit der Darstellung desselben Autos auf einer Straße zu sehen, ebenfalls mit einem WLAN-Symbol darüber. Vor dem Monitor befinden sich eine Lupe, zwei übereinanderliegende Datenspeicher-Symbole und ein Computergehäuse. Im Hintergrund sind stilisierte Gebäude und Wolken zu erkennen. Links neben dem Auto ist eine Klemmbretttafel mit einem Diagramm aus Balken- und Liniendiagramm abgebildet.
Erstellt mit Hilfe von KI (ChatGPT)

Fünftes Treffen des Arbeitskreis Straße

| Lukas Zanger, innocam.NRW

Am Donnerstag, den 06.11.2025, fand das fünfte Treffen im Arbeitskreis Straße im Online-Format statt. Im Fokus stand das Thema “Szenarienbasiertes Testen: Lässt sich ‘sicher genug’ objektiv testen?”. Szenarienbasiertes Testen wurde bereits in einem zurückliegenden Arbeitskreistreffen [1] als mögliche Herangehensweise identifiziert, um den Reifegrad eines Automated Driving Systems (ADS) auch mit Blick auf den Erprobungsbetrieb abzuschätzen. Die Abschätzung liefert wertvolle Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob das ADS im öffentlichen Straßenverkehr verantwortungsvoll erprobt werden kann. Diese Fragestellung war Teil des Fazits aus dem Arbeitskreistreffen zum Thema Erprobungsgenehmigung gemäß AFGBV, welches im Februar stattfand.

Infolgedessen wurde im fünften Arbeitskreistreffen, welches am Donnerstag, den 06.11.2025, stattfand, das szenarienbasierte Testen in den Fokus gestellt. Das Prinzip dieses Testverfahrens wurde bereits in einem der Blogbeiträge von innocam.NRW [2] erläutert. Grundsätzlich wird dabei die Leistung einer Fahrfunktion systematisch mit einem definierten Satz an Szenarien überprüft. Gemäß der Definition aus ISO 34501:2022 ist ein Szenario eine Sequenz aus Szenen, in denen sich ein automatisiertes Fahrzeug in Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern befindet. Ein Testszenario ist gemäß der ISO-Norm ein Szenario, welches zum Testen und zur Absicherung eines ADS genutzt wird.

Das Arbeitskreistreffen setzte sich aus einem Themenblock mit Impulsvorträgen sowie einer anschließenden Diskussion zu dem Nutzen sowie potentiellen Hürden im Umgang mit Szenarien zusammen. Die unterschiedlichen Impulsvorträge beleuchteten das Thema des szenarienbasierten Testens sowohl aus Forschungs- als auch aus Industrieperspektive.

Der erste Impulsvortrag bot eine Einführung in die Absicherung des automatisierten Fahrens. Einführend wurde dabei unter anderem die These aufgegriffen, dass der sichere Einsatz von AD-Funktionen (AD steht für „Automated Driving“) auf öffentlichen Straßen nur gewährleistet werden kann, wenn vorher ein technisch erforderlicher Reifegrad und eine ausreichende Test-Tiefe nachgewiesen worden sind. Daher stellt sich an der Stelle die Frage: Wie sicher ist sicher genug? Auf diese Frage wird in verschiedenen Gesetzgebungen Bezug genommen. Die Durchführungsverordnung (EU) 2022/1426 besagt, dass in Tests demonstriert werden soll, dass das vollautomatisierte Fahrzeug kein „unverhältnismäßiges Risiko“ verursacht. „Unverhältnismäßiges Risiko“ bedeutet in dem Zusammenhang „das Gesamtrisikoniveau für die Fahrzeuginsassen und andere Verkehrsteilnehmer, das im Vergleich zu einem manuell gesteuerten Fahrzeug […] in vergleichbaren Situationen innerhalb der ODD erhöht ist“ [3]. Daraus lässt sich ableiten, dass die automatisierte Fahrfunktion nicht jeden Unfall verhindern muss, sondern nur solche, die im Vergleich zum menschlichen Fahren verhältnismäßig vermeidbar sind. Dies kann beispielsweise durch szenarienbasierte Ansätze demonstriert werden. Aus der Gesamtmenge aller möglichen Szenarien wird dabei systematisch eine Teilmenge an Szenarien ausgewählt, die die betreffende ODD möglichst gut abdeckt. Nachdem ein Satz an Szenarien für die Absicherung definiert worden ist, müssen diese selbst validiert und mit statistischen Auswertungen versehen werden. Beides wird mit einer Szenariendatenbank realisiert.

Der Aspekt der Szenariendatenbank stand im Fokus des zweiten Impulsvortrags des Arbeitskreistreffens. Das Konzept wurde erläutert anhand des Beispiels von scenario.center [2]. Mit dieser Datenbank lassen sich skalierbar logische Szenarien ableiten, die anschließend für das Testen von AD-Funktionen angewendet werden können. Durch Verkehrsbeobachtungen lassen sich Auftretenswahrscheinlichkeiten bestimmter Szenarien in der Realität ermitteln. Durch das Zusammenführen der Testergebnisse, die mit einer Fahrfunktion erzielt worden sind, mit den Auftretenswahrscheinlichkeiten lässt sich schließlich ein interpretierbares Risiko quantifizieren. Eine Eigenschaft von scenario.center besteht darin, dass logische Szenarien aus verschiedenen Inputs generiert werden können. So können beispielsweise in Testfahrten generierte Daten, mit Drohnen aufgezeichnete Daten und Daten aus Unfalldatenbanken herangezogen werden.

Im dritten Impulsvortrag, gehalten von einem Vertreter von dSPACE, wurde das szenarienbasierte Testen schließlich aus Sicht der Industrie beleuchtet. Eine der Aussagen des Vortrags war, dass das Zusammenspiel zwischen realen („real-world“) und simulativen Tests ein Schlüsselfaktor von szenarienbasiertem Testen ist. Diese Arten des Testens, simulativ und real, sind zwei der Säulen der New Assessment/Test Method for Automated Driving (NATM) der UNECE [4]. Eine zweite These des Vortrags war, dass generative künstliche Intelligenz großes Potential in dem Kontext bietet: Zum einen bei der Generierung virtueller Szenarien und zum anderen bei der Extrahierung bestimmter Szenarien in aufgezeichneten Daten. Zum Abschluss wurde im Rahmen des Vortrags auf einen häufig unterschätzten Kostenfaktor hingewiesen: Im Rahmen von Testfahrten entstehen potentiell große Mengen an Rohdaten. Der Transfer solcher Datenmengen zwischen Fahrzeug, Cloud-Diensten, sowie den Rechnern, auf denen die eigentliche Datenauswertung stattfindet, ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Menge an Daten, die zur Auswertung transferiert wird, und somit die damit verbundenen Kosten können durch intelligentes Filtern verringert werden. Da ein großer Teil der Daten redundant ist, kann durch das Filtern das benötigte Datenvolumen verringert werden.

In der anschließenden Diskussion wurde der Aspekt genannt, dass derzeitig in der Industrie solche Akteure, die sich mit der Absicherung von AD-Funktionen beschäftigen, meist auf eigene proprietäre Szenariendatensätze zurückgreifen. Dies bringt pro Akteur einen enormen Aufwand mit sich: Zum einen im Hinblick auf die Aggregierung der Daten und zum anderen hinsichtlich der Verarbeitung und Aufbereitung der Daten, um sie als Szenarien nutzbar zu machen. An der Stelle könnte eine gemeinsame Open-Source-Datenbasis, wie sie sich zum Beispiel mit Hilfe von Lösungen wie scenario.center realisieren ließe, Abhilfe schaffen. In eine ähnliche Richtung gingen auch die im Rahmen des Arbeitskreistreffens identifizierten Hürden bzw. Herausforderungen im Hinblick auf die Nutzung von Szenarien. Als potentielle Hürden wurden Aspekte wie Datenverfügbarkeit und Vereinheitlichung von Datenformaten genannt. Diese Aspekte verdeutlichen einmal mehr, wie nutzbringend Szenariendatenbanken sind, die sich mit Inputs aus verschiedenen Quellen speisen lassen.

Alles in allem blicken wir auf spannende Impulse sowie eine konstruktive Diskussion im Rahmen des Treffens im Arbeitskreis Straße zurück. Das szenarienbasierte Testen unter Einbindung simulativer und realer Szenarien ist ein unumgänglicher Baustein bei der Absicherung von AD-Funktionen. Gleichwohl stellt die Aggregierung von Szenarien eine Herausforderung dar.

Einer der zentralen Impulse der Diskussion im Arbeitskreistreffen bestand darin, dass eine branchenübergreifende gemeinsame Nutzung von Szenariendatensätzen erstrebenswert ist und sich dadurch die Effizienz insgesamt steigern ließe. Nach Ansicht der Teilnehmenden können Open-Source-Ansätze einen maßgeblichen Beitrag leisten.

Quellen:

[1] https://www.innocam.nrw/erprobungsbetrieb-gemaess-afgbv-drittes-treffen-im-arbeitskreis-strasse/

[2] https://www.innocam.nrw/scenario-center/

[3] https://eur-lex.europa.eu/eli/reg_impl/2022/1426/oj

[4] https://unece.org/sites/default/files/2021-01/GRVA-09-07e.pdf