
Nachbericht zum Stammtisch „C-ITS in der praktischen Anwendung – Standards, Spezifikationen und Hinweise“
Aus unserem BLOG • Von Lasse Pipoh, innocam.NRW • November 2025
Unser innocam.STAMMTISCH am 30. Juni widmete sich dem Thema „Warum Lichtsignalanlagen und ÖV-Beschleunigungen ‚Europäisch‘ können müssen: C-ITS in der praktischen Anwendung – Standards, Spezifikationen und Hinweise“. Dabei erfuhren die Teilnehmenden mehr über die Potenziale von C-ITS, die Fortschritte beim Ausrollen der Technologie sowie vor allem über (zukünftige) Anwendungen, an denen bereits jetzt im Rahmen von Standardisierungsprozessen bzw. Erprobungen gearbeitet wird. Als Impulsgeber zu Gast waren dafür Tobias Reiff vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Jan Schappacher von der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (BASt).
Mit der Anwendung von C-ITS, also kooperativen, intelligenten Verkehrssystemen, lassen sich gleich mehrere Ziele verfolgen. In der Einführung von Tobias Reiff wurden daher die Potenziale kurz umrissen, sowie der bisherige Umsetzungsstand in Nordrhein-Westfalen kurz vorgestellt. C-ITS dient in erster Linie der Verkehrssicherheit sowie der Priorisierung von Einsatzfahrzeugen an Knotenpunkten, aber auch des ÖPNV. Insgesamt führt der Einsatz von C-ITS zu einer effizienten Nutzung vorhandener Infrastruktur, der Verbesserung der Mobilitätsangebote für ÖPNV, Radfahrende und zu Fuß Gehende insgesamt und einer Emissionsverringerung durch optimierte Verkehrsflusssteuerung. Diese Potenziale wurden bereits in einigen Projekten (KoMo:D Düsseldorf, KoMo:D next und ACCorD) in NRW im Testbetrieb bestätigt, nun gelte es, die Anwendung im Realbetrieb in größeren Korridoren durchzuführen, so Tobias Reiff.
Dafür steht auch das EFRE-unterstützte Landesförderprogramm „Nachhaltige städtische Mobilität für alle“ zur Verfügung. Details dazu finden Sie übrigens in unserer Förderdatenbank sowie unter diesem Link. Voraussetzung für eine Förderung ist u.a. das Aufgreifen der EU-weit harmonisierten Nachrichtenprofile und Spezifikationen der C-ROADS Plattform, um Interoperabilität und zukünftige Skalierbarkeit sowie den Einsatz weiterer C-ITS Anwendungen zuzulassen.
Jan Schappacher knüpfte mit seinen Ausführungen zum Standardisierungsprozess und der Rolle von C-ROADS bzw. der BASt sowie zu den aktuellen Entwicklungen bei den Anwendungsfällen direkt daran an. Nach den europaweiten oder internationalen Standards müssen auch die Spezifikationen für konkrete Anwendungsfälle harmonisiert werden, damit ein gemeinsames Verständnis zwischen Verkehrsinfrastruktur und Fahrzeugen sowie entlang ganzer Korridore, auch länderübergreifend, herrschen kann. Dahingehend spielt die C-ROADS Plattform als europäische Initiative zur Implementierung von C-ITS und zum Erfahrungsaustausch eine bedeutende Rolle. Die C-ROADS Plattform betreibt themenspezifische Arbeitsgruppen, etwa zu organisatorischen Aspekten, technischen Aspekten (Sicherheit, Harmonisierung der Dienste und Infrastruktur-Kommunikation) und Evaluierung der Anwendungen an den nationalen Pilotstandorten. Für Deutschland ist die BASt der technische Koordinator in der C-ROADS Plattform.
Die Teilnehmenden erhielten weiters eine Übersicht zu den in C-ROADS harmonisierten Diensten, unter anderem zu Informationsanzeigen in Fahrzeugen, lokalisierten Warnmeldungen, Baustelleninformationen, signalgesteuerten Knotenpunkten, Parkraumverfügbarkeit, Platooning und Smart Routing. Alle Dokumente findet man unter diesem Link.
Auch auf weitere Studien, Berichte und Leitfäden konnte Jan Schappacher verweisen, etwa auf die BASt Studie zur Verringerung von Halte- und Verlustzeiten (OPUS 4 | Optimierte Steuerungsstrategien für Lichtsignalanlagen durch die Berücksichtigung der Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation (C2X)) oder die Leitfäden zur Einführung kommunaler C-ITS Verkehrssysteme bzw. zur harmonisierten MAP-Erstellung für den Regelbetrieb kooperativer Verkehrssysteme durch die die OCA (Open Traffic Systems City Association), die Vereinigung von Straßenbetreibern bzw. Lichtsignalanlagenbetreibern.
Spannende Einblicke lieferte Jan Schappacher auch in Bezug auf den aktuellen Umsetzungsstand in Zahlen. Schätzungen zufolge seien in der EU 2 Mio. C-ITS ausgestattete Fahrzeuge auf der Straße sowie rund 3.000 Road Site Units (kurz RSU, Stand Ende 2024) aktiv. Wo sich diese RSU befinden (abgebildet ist ein Ausschnitt für NRW), ist auf der Webseite der europäischen Kommission unkompliziert nachzusehen.

Seinen Impulsvortrag schloss Jan Schappacher mit dem aktuellen Stand der Entwicklung zu Anwendungsfällen ab. So haben C-ITS Spezifikationen zu Warnmeldungen bereits die Marktreife erreicht und für die Verwertung von Daten für das Verkehrsmanagement und die Modernisierung & ÖV-Beschleunigung gibt es bereits erste erfolgreiche Umsetzungen. Weitere Entwicklungsarbeit wird hingegen noch beim GLOSA (Green Light Optimal Speed Advisory), auch Grüne-Welle-Assistent genannt, sowie bei Verkehrszeichenmeldungen ins Fahrzeug benötigt.
Herr Schappacher informierte zudem über aktuelle Studien und Bestrebungen weiterer Harmonisierungen. Er betonte zudem, dass bereits zahlreiche Leitfäden erarbeitet wurden, welche über die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und den O.C.A. e.V. teilweise kostenfrei erhältlich sind.
Die anschließende Diskussion zeigte noch einmal auf, dass der Nutzen von C-ITS und die Anwendungspotenziale zwar für einzelne Verkehrsteilnehmende klar sind, C-ITS aber eine gesamtheitliche Steigerung von Sicherheit und Effizienz für alle Gruppen ermöglichen kann. Einerseits können unterschiedliche Gruppen, beispielsweise Einsatzfahrzeuge priorisiert werden. Andererseits nutzt beispielsweise eine Optimierung von Schaltzeiten allen Verkehrsteilnehmenden. Unsere Umfrage nach den größten Herausforderungen bei der Implementierung von C-ITS-Anwendungen bestätigte, dass die Zusammenarbeit (ob aus technischen oder prozessbedingten Gründen) und Akzeptanz aller Stakeholder noch große Hürden darstellen. Auch fehlende technische Normierung und ökonomische Aspekte bilden laut den Teilnehmenden aktuell noch große Herausforderungen. Dass diese beiden Argumente Hand in Hand gehen, zeigten zu guter Letzt auch die Antworten auf die Frage nach den größten erwarteten Vorteilen durch EU-weit harmonisierten Spezifikationen. Ein Drittel der Teilnehmenden erwartet sich eine Erleichterung bei der Beschaffung der Systeme und ein Viertel ein besseres Nutzen-Kosten-Verhältnis.
Ergänzend zu den Inhalten der Veranstaltung können Sie hier spannende Praxisbeispiele entdecken:
- Projekt zu Busbeschleunigungen BUS2DATA
- innocam.NRW Blogbeitrag zu V2X-Kommunikation für Einsatzfahrzeuge in Oberhausen
Video-Mitschnitt des Vortrag
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