Aus unserem BLOG • Von Eva König und Isabelle Barz • Juli 2022

Forschungsprojekt FlutNetz – Medizinische Notversorgung von Flutopfern in Bangladesch per Flugsystem

Unzählige Flutopfer durch lebensrettende Sofortmaßnahmen vor dem Tod bewahren: Dazu untersucht das Institut für Flugsystemdynamik (FSD) der RWTH Aachen im Forschungsprojekt FlutNetz, wie durch den Einsatz eines unbemannten Flugsystems die medizinische Versorgung von Flutopfern in abgelegenen Gebieten verbessert werden kann. Auf Abruf das Flugsystem starten und es vollautomatisiert in ein überflutetes Gebiet fliegen zu lassen und dort die Menschen mit dringend benötigten Notfallmedikamenten zu versorgen – bald schon kein Zukunftstraum mehr?

Medizinische Versorgung bei Überschwemmungen sicherstellen

Naturkatastrophen wie Überschwemmungen betreffen weltweit Millionen Menschen. Die Anzahl und Schwere der Überschwemmungen wird Prognosen zufolge aufgrund der Erderwärmung ansteigen und auch weiterhin sehr viele Todesopfer mit sich bringen. Die häufigsten Todesursachen während der Flutereignisse sind das Ertrinken und Vergiftungen in Folge von Schlangenbissen. In Bangladesch sterben jährlich etwa 6000 Menschen durch Schlangenbisse, die vor allem während Überflutungen zu verzeichnen sind, da sich Tiere und Menschen in solchen Situationen auf engstem Raum konzentrieren.

Durch die beeinträchtige Infrastruktur kann die medizinische Versorgung nicht mehr aufrechterhalten und die Menschen in abgeschiedenen Regionen nicht mehr mit benötigten Notfallmedikamenten versorgt werden. Ein unbemanntes Flugsystem (engl. Unmanned Aerial System, UAS) soll die medizinische Notversorgung während der Flutsaison sicherstellen, indem es zum Beispiel Gegengift zu den Opfern bringt, wenn keine anderen Transportmittel zur Verfügung stehen. Mit diesem Projekt will das Bundesministerium für Bildung und Forschung den deutschen Beitrag zur weltweiten Verbesserung des Katastrophenrisikomanagements stärken und hierbei zum Erreichen von international vereinbarten Zielen beitragen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert im Rahmen der Bekanntmachung „Internationales Katastrophen- und Risikomanagement – IKARIM“ mit dem Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ das Projekt FlutNetz. Der Fachbereich Tropenmedizin und Public Health der Goethe-Universität Frankfurt leitet die Arbeiten, an denen auch das Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt sowie Ministerien und Einrichtungen in Bangladesch beteiligt sind.

Aus NRW für die Welt

Für den Einsatz in Bangladesch wird ein in Aachen entwickeltes, vollständig automatisiertes unbemanntes Kippflügelflugzeug verwendet. Das Flugsystem besitzt die Möglichkeit, seine Tragfläche zu kippen, sodass ein senkrechtes Starten und Landen sowie ein energieeffizienter Flächenflug möglich sind. Im Horizontalflug ist die Tragfläche wie bei einem konventionellen Flugzeug angeordnet und das Flugsystem kann Flutopfer in abgelegenen Gebieten auch über große Distanzen erreichen. Um über den Flutopfern schweben zu können und die Nutzlast mit Notfallmedikamenten an der gewünschten Stelle abzusetzen, wird die Tragfläche nach oben gekippt. Die in dem Projekt benötigten Anforderungen an das Flugsystem können daher mit dem ausgewählten Kippflügelflugzeug und dessen Anwendungsbereich gänzlich realisiert werden.

Medizinische Notversorgung per unbemanntem Flugsystem in Flutgebieten Bangladeschs

An dem Projekt sind sowohl Partner aus Deutschland als auch aus Bangladesch beteiligt. In Abstimmung mit den Behörden in Bangladesch wird eine allgemeine Strategie zur medizinischen Krisenbewältigung konzipiert mit dem Ziel, die Versorgungstransporte zu verbessern. Auch die Erarbeitung des Flugbetriebs sowie die sichere Integration in den bestehenden Luftraum von Bangladesch sind Teil des Projekts. Hierzu gehört unter anderem die Abstimmung mit der Flugverkehrskontrolle (engl. Air Traffic Control, ATC) sowie entsprechende Genehmigungen für den Betrieb des Flugsystems.

Bevor die Flüge in Bangladesch durchgeführt werden, werden sie vorab am Center for Vertical Mobility (CVM) am Future Mobility Park Aldenhoven getestet. Das interdisziplinäre Kompetenz- und Testzentrum im Rheinischen Revier, das im Mai 2022 mit dem LiftOff eröffnet wurde, ist dazu der geeignete Schauplatz. Hier steht Forschung, Entwicklung und Betrieb von vertikalstartfähigen unbemannten Luftfahrzeugen sowie die Vernetzung und Automatisierung von gleichzeitig betriebenen Flugsystemen im Vordergrund. Auch deshalb ist dies der geeignete Ort, um die Allwetterfähigkeit und die Robustheit des Flugsystems zu erproben.

Center for Vertical Mobility (CVM) am Future Mobility Park Aldenhoven

„Sobald ein sicherer Flug demonstriert und die Robustheit des Flugsystems gezeigt werden kann, wird die medizinische Versorgung durch den Einsatz des Flugsystems in Bangladesch verbessert werden können“, so die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Isabelle Barz und Eva König des Instituts für Flug-
systemdynamik der RWTH Aachen, die gemeinsam am Forschungsprojekt FlutNetz arbeiten: „In Zukunft könnte das Krisenmanagement mittels eines unbemannten Flugsystems, das auf Sicherheit und Effizienz ausgelegt ist, dann auch auf andere Länder übertragen werden, die ebenfalls von Flutereignissen betroffen sind.“

Innovative Mobilitätslösungen brauchen gut vernetzte kreative Köpfe

Automatisierung und Vernetzung bieten große Potentiale, das Mobilitätsangebot zu verbessern und den Verkehr besser, sicherer und sauberer zu machen. Die Erforschung, Entwicklung und Inbetriebnahme neuer Mobilitätsangebote sowie automatisierter Fahrzeuge braucht die enge Zusammenarbeit vieler Beteiligter. Mit dem innocam.NRW Kompetenzatlas können Akteure die für ihr Anliegen passenden Partner finden und gemeinsame Projekte initiieren.